Überlegungen zum Physikalischen Mediumismus von Lucius Werthmüller
von Basler Psi Verein
28. Januar 2015
Der physikalische Mediumismus ist die spektakulärste, aber auch umstrittenste Form der Medialität. Seit den Pionierzeiten des Spiritualismus bis in die fünfziger Jahre dieses Jahrhunderts gab es endlose Kontroversen um deren Echtheit.
Danach wurde es still um diese spektakulären Phänomene. Seit den 90er Jahren scheint eine Renaissance dieser Phänomene stattzufinden. In einem ersten Teil gehe ich auf grundlegende Fragen ein. In einem zweiten Teil werde ich detailliert die Phänomene schildern, die ich in rund 30 Séancen bei sechs verschiedenen physikalischen Medien erlebt habe.
Was ist Physikalischer Mediumismus
Generell lässt sich die Medialität unterteilen in die mentale Medialität, dazu gehören das Hellsehen, Hellhören, Hellfühlen, und die physikalische Medialität. Diese hat eine lange Tradition und erlebte ihre Hochblüte von ca. 1890 bis 1930. Während dieser Zeit gab es eine Vielzahl solcher Medien, die auch Gegenstand unzähliger wissenschaftlicher Untersuchungen waren. Die wichtigsten physikalischen Erscheinungen sind die Teleakustik wie «Direkte Stimme» oder «Direkte Geräusche», psychokinetische Phänomene wie Bewegungen oder Levitationen von Gegenständen, Leuchterscheinungen, Apporte und Materialisationen von Geistwesen. Wie umstritten die meisten physikalischen Medien gewesen sind, entnehmen wir dem Standardwerk Okkultismus – Täuschungen und Tatsachen der kritischen Schweizer Parapsychologin Fanny Moser. Sie schreibt 1935 in der Einleitung zum Thema: «Der physikalische Okkultismus ist das auserlesene Gebiet schlimmster Täuschungen und eines nicht enden wollenden Streites. Hier hat der Betrug bereits ungeheuerliche Dimensionen angenommen, dass die Technik zu seiner Verhütung und Entlarvung kaum Schritt mit ihm zu halten vermag. Zwischen beiden ist es zu einem Wettrennen gekommen, bei dem nur zu oft der Betrug Sieger bleibt.» Sie schreibt aber auch: «Die telephysikalischen Erscheinungen sind, im Gegensatz zu den telepsychischen, an sich nicht mehr zu bestreiten, denn sie sind von verschiedensten Seiten unabhängig untersucht und als objektive Realitäten mit wissenschaftlichen Hilfsmitteln: photographischen Apparaten, Registriermethoden usw. festgestellt worden, die Materialisationen auch durch Abdrücke in Lehm, geschmolzenem Wachs, auf berussten Flächen und durch Giessformen. Das ist eine wesentliche Vereinfachung. Sie ist hauptsächlich der neueren Forschung, bei letzteren speziell Richet und Schrenck-Notzing zu danken. Strittig ist hier also nicht mehr, was geschieht, sondern nur noch, wie es geschieht. (...) In der Lösung dieser Frage sind wir trotz ausserordentlicher Vermehrung des Beweismaterials, nicht weiter als zu Beginn der wissenschaftlichen Forschung...» Diese Feststellung gilt noch heute. Zwar wurden seit Fanny Mosers Zeiten viele Forschungen und Untersuchungen gemacht, aber der Lösung sind wir nicht näher gekommen. Zumal die meisten heutigen Parapsychologen sich nicht mit diesen Makrophänomenen auseinandersetzen, sondern lieber statistische Reihenuntersuchnungen von Mikrophänomenen durchführen. Und wenn sie es tun, betrachten die meisten lieber historische Fälle, als sich mit existierenden Medien zu beschäftigen. Allerdings irrt Fanny Moser wenn sie meint, dass die Existenz der Phänomene nicht mehr strittig sei, sondern nur deren Erklärung. Nach der Hochblüte des physikalischen Mediumismus in den zwanziger Jahren, wurde es in den letzten Jahrzehnten sehr still um diese spektakulären Phänomene, zumindest in Europa. Diese handgreifliche Form des Mediumismus schien in Europa fast vollständig ausgestorben, so dass Bonin in seinem Lexikon der Parapsychologie 1976 feststellte, dass «...es zur Zeit in Europa keine Materialisationsmedien zu geben scheint.»
Die Renaissance der physikalischen Medialität
Diese Feststellung gilt für unsere Zeit nicht mehr. Seit den frühen 1990er Jahren scheint eine regelrechte Renaissance dieser Phänomene stattzufinden. Robin Foy gründete 1990 zur Förderung dieser spektakulären Form des Mediumismus die Noah's Ark Society. Der Name wurde gewählt, weil die Gruppe die physikalische Medialität vor dem Aussterben bewahren wollte, so wie der biblische Noah allen Tierarten auf seiner Arche ein Überleben ermöglicht hatte. Ausserdem war der Name ein Tribut an Noah Zerdin, der sich stark für die spiritualistische Bewegung eingesetzt hat. Der Noah's Ark Society gehörten Medien und physikalische Zirkel an wie die Scole Gruppe, der Zirkel von Stewart Alexander oder Colin Fry. Ich selbst kam Mitte der 90er Jahre zum ersten Mal mit dieser Form der Medialität in Kontakt als ich die Zeitschrift der Society zu lesen bekam und staunte, dass es so etwas noch geben solle. Ich war fasziniert, bemerkte aber bald, dass kaum jemand darüber Bescheid wusste. Ich begann Kontakte zu knüpfen und hatte die Gelegenheit, in diese ziemlich abgeschlossene und eher öffentlichkeitsscheue Szene Eingang zu finden und über die Jahre die massgeblichen Exponenten persönlich kennenzulernen. Behilflich war mir dabei Dr. Hans Schär, ein Mitglied unseres Vereins, der gute Kontakte zu Stewart Alexander und Robin Foy pflegt. Er hatte über diese Phänomene gelesen und die Berichte für Blödsinn gehalten. Er wollte es aber doch genauer wissen und liess sich von seinen Erfahrungen eines Besseren belehren. Ich habe in den letzten fünfzehn Jahren an rund 30 Séancen bei insgesamt sechs verschiedenen Gruppen, bzw. Medien teilnehmen können. Es waren dies der Stewart Alexander Circle, die Scole Group, der Silvercord Circle von David Thompson, der Meadows Circle, der Rainbow Circle sowie der Felix Circle mit Kai Mügge als Medium. Da es viele Missverständnisse um dieses höchst umstrittene Gebiet gibt, erlaube ich mir einige grundlegende und persönliche Überlegungen.
Mein Dilemma
Für mich ist es schwierig über den Physikalischen Mediumismus öffentlich zu sprechen oder zu schreiben, weil ich gerne ernstgenommen werde. Ich nehme für mich in Anspruch einen rationalen Zugang zu Psi- Phänomenen zu pflegen. Dennoch kann ich einigermassen locker über Geistiges Heilen und Heilenergien sprechen, selbst die spektakulären Phänomene der Trancechirurgie und Logurgie kann ich problemlos öffentlich vertreten. Telepathie und Psychokinese und ähnliche Phänomene lassen sich rational erklären. Hingegen braucht es Überwindung über meine Erlebnisse in Séancen zu berichten. Zu unglaubwürdig, zu phantastisch klingen die Phänomene. Glaubt denn im Ernst ein Mensch mit gesundem Menschenverstand, dass Gegenstände fliegen, Botschaften materiell apportiert werden, Gliedmassen sich materialisieren und anderes Verrücktes mehr? Wenn der unbelastete Zuhörer dann erfährt, dass das Ganze sich mehrheitlich in der Dunkelheit abspielt – was dem Betrug Tür und Tor öffnet – ist seine Meinung wohl gemacht. Wer kann ihm das verübeln, ich habe dafür volles Verständnis. Zumal die meisten Menschen wissen, zu welch phantastisch anmutenden Leistungen Zauberkünstler und Mentalmagier ohne jegliche Psi-Kräfte fähig sind.
Weshalb ich von der Echtheit überzeugt bin
Was mich bewegt an die Echtheit zu glauben sind nicht zuletzt meine persönlichen Begegnungen und Freundschaften mit diesen Personen. Mit einigen dieser Medien bin ich seit 15 Jahren in Kontakt und befreundet. Ich habe mit ihnen unzählige Gespräche über diese Themen geführt. Es erscheint mir nicht plausibel, dass sie – falls sie Betrüger sind – ein Doppelleben führen und sich so intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, darüber diskutieren oder Bücher schreiben. Die meisten von ihnen suchen keineswegs die Öffentlichkeit, den Ruhm oder das grosse Geld. Im Gegenteil braucht es einiges, ihr Vertrauen zu gewinnen, um überhaupt an Séancen zugelassen zu werden, und noch mehr, dass sie zu uns nach Basel kommen und öffentlich demonstrieren. Viele von ihnen betrachten es als ihre wichtigste Aufgabe, den Menschen die Botschaft vom Weiterleben nach dem Tod zu vermitteln. Ebenso habe ich mich mit vielen Parapsychologen ausgetauscht und mich in die Literatur eingelesen. Es müsste sich also um ein gewaltiges Netz von Betrug, Täuschung oder Selbsttäuschung handeln, dem ich erlegen bin oder an dem ich selbst mitwirke. Besonders überzeugend waren für uns Sitzungen, die wir in unseren eigenen Räumlichkeiten durch führen konnten. Der Raum wurde von uns vorbereitet und Sitzungsteilnehmende konnten zusätzlich den Raum gründlich inspizieren. Ausserdem wurde das Medium gründlich abgetastet und durchsucht, ebenfalls alle Teilnehmenden. Die meisten Medien lassen sich ausserdem während der Sitzung an den Stuhl festbinden. David Thompson lässt sich zusätzlich den Mund verbinden, um klarzumachen, dass die auftretenden Stimmen nicht von ihm kommen und es sich um Direkte Stimmen handelt, dass also die Phänomene im freien Raum entstehen. Bei manchen Zirkeln ist es üblich, dass während den Phasen völliger Dunkelheit die Teilnehmer sich die Hände reichen, bei gewissen Zirkeln wird auch das Medium einbezogen. Die Dunkelheit ist das grösste Problem, wenn es um die Untersuchung der Phänomene geht. Allerdings habe ich beobachten können, dass das Ektoplasma tatsächlich Auflösungserscheinungen zeigt, wenn das meist verwendete Rotlicht stärker aufgedreht wird. Ektoplasma ist zweifellos lichtempfindlich. Die Forderung, solche Séancen bei vollem Licht abzuhalten, ist ähnlich wie wenn man im Dunkeln keimende Samen am Licht keimen lassen will, um den Vorgang besser beobachten zu können. Man muss auf die Bedingungen eingehen, die erforderlich sind, sonst zerstört man die Phänomene, die man beobachten will.
Mechanismus des Verleugnens
Es gibt unzählige Akademiker, Professoren und Gelehrte, darunter mehrere Nobelpreisträger, die diese Phänomene erlebt, untersucht und bezeugt haben. Die Literatur zum Thema ist sehr umfangreich, wenn auch vieles nicht mehr erhältlich ist. Es gibt tausende minuziös geführter Sitzungsprotokolle, viel Fotomaterial und weitere Belege. In jüngerer Zeit hat sich die Society for Psychical Research (SPR) Leben im Feld der Gnade von J i l l Möbius intensiv mit der Scole Gruppe befasst und darüber die Scole Papers publiziert. Der deutsche Schriftsteller Thomas Mann war Teilnehmer einiger Materialisationssitzungen bei Freiherr von Schrenck-Notzing und schrieb nachher darüber folgendes: «Von Betrug in irgendeinem mechanischen Sinne kann nicht die Rede sein. Es handelt sich um eine okkulte Gaukelei des organischen Lebens, um Vorgänge deren anormale Realität mir unbestreitbar scheint, die zugleich primitiv und kompliziert sind, mit ihrem wenig würdevollen Charakter, mit ihrem trivialen Drum und Dran den ästhetisch stolzen Sinn wohl gar abstossen mögen, deren zweifellose Wirklichkeit aber den Erkenntnistrieb des Wissenschaftlers bis zur Leidenschaft reizen muss.» Die meisten Leser dieses Magazins wissen, dass dem nicht so ist und leider nur sehr wenige Wissenschaftler die Offenheit aufbringen, sich unvoreingenommen auf abseitig erscheinende Phänomene einzulassen. Mit Thomas Mann hoffe ich auf Wissenschaftler, deren Erkenntnistrieb sich bis zur Leidenschaft reizen lässt. Früher war ich überzeugt, dass es nur ein paar sauber durchgeführte Versuche und Dokumentationen braucht um Skeptiker von der Realität des Paranormalen zu überzeugen. Heute weiss ich, dass das Gegenteil wahr ist. Solche Untersuchungen und Berichte führen nicht dazu, dass die in Frage stehenden Phänomene ernst genommen werden. Die Fachleute, die sie ernst nehmen und sich nur schon dafür einsetzen, sie genauer unter die Lupe zu nehmen, werden diskreditiert und nicht mehr ernst genommen. So wurde in diesem Sommer der Physik-Nobelpreisträger Professor Brian Stephenson – neben zwei weiteren renommierten Wissenschaftlern – von einer Fachkonferenz für Quantenmechanik ausgeladen, weil, wie es in der Begründung hiess «Das Paranormale eines seiner Hauptforschungsgebiete sei.» Insofern habe ich Verständnis, wenn gestandene Wissenschaftler ihren Ruf nicht ruinieren wollen.
Was soll das Ganze?
Eine bekannte Autorin hat an einer Séance mit Stewart Alexander teilgenommen und war zunächst beeindruckt von den Phänomenen, schrieb uns aber am nächsten Tag: «Ich denke, wer da agiert hat bei der Séance, das war die Zwischenebene pur. Es war sehr interessant und zeigt auch wie real die ganzen inneren Zirkel mancher Geheimgesellschaften sicherlich sind und was für eine Kraft die entwickeln können. Aber es ist nicht die Art von Energie die ich öfter kontaktieren möchte und auch nicht die Art von Energie zu deren Verbreitung ich beitragen möchte. Auch wenn ich Stewart selbst sehr, sehr nett finde.» Da liegt meines Erachtens ein Missverständnis vor. Erstens haben wir es wohl fast immer mit Zwischenebenen zu tun. Ich bezweifle, dass wir es oft mit einer reinen ursprünglichen Schöpferkraft zu tun haben, ausser man betrachtet alle diese Manifestationen als Ausdruck der Schöpferkraft. Vor allem aber hinkt der Vergleich mit den okkulten Geheimgesellschaften. Die Arbeit von Stewart und auch allen anderen Physikalischen Medien, die ich bisher kennen gelernt habe, hat nichts Magisches an sich. Ganz im Gegenteil. Sie stellen sich ganz in den Dienst der Geistigen Welt und üben keinerlei magische Praktiken aus. Einige Besucherinnen zweifelten zwar nicht an der Echtheit der Phänomene, waren aber enttäuscht über die Banalität mancher Trancedurchsagen und den lockeren Umgangston, den diese Trancepersönlichkeiten oft pflegen. Es ist für sie deshalb eher etwas Minderes, im Gegensatz zu manchen erfolgreichen Channels, wo manches hochgestochen klingt und man sich gleich als Teil einer Elite und als etwas Besonderes fühlen darf. Für mich hingegen ist es immer wieder schön, die äusserst liebevolle Energie zu spüren, die in solchen Séancen im Raum herrscht. Für die meisten Medien selbst ist der Beweis eines Überlebens des Todes das wichtigste Anliegen. Für mich sind es natürlich auch die Ungeheuerlichkeiten und Unmöglichkeiten, die da geschehen, deren Existenz zumindest die Vollständigkeit unserer Vorstellung vom Funktionieren dieser Welt in Frage stellen und unsere Vorstellungskraft herausfordern.
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