Trauer und der Weg heraus: Liebe ist für immer

von Basler Psi Verein

03. September 2018

Der Verlust eines geliebten Menschen lässt viele Fragen zurück. Eine Suche nach Antworten.

„Suche im Leiden den Samen deines künftigen geistigen Wachstums, sonst ist das Leben sehr bitter.“ Als ich dieses Zitat von Leo Tolstoi las, wurde mein Schmerz noch größer. Ich empfand es als Hohn, dass ich auch nur im Ansatz ein Samenkorn suchen sollte, welches mir zur Heilung und somit einer neuen Sichtweise auf mein Leid dienen könnte. Meine geliebte Tochter Tamina war mit ihren herrlichen 18 Jahren durch einen Reitunfall plötzlich gestorben. Ihr Verlust hatte eine solch ungeheuerliche Wucht in sich, dass nichts mehr seine Ordnung hatte.

Bedeutet das Zitat, dass es für alles eine sinnvolle Antwort gibt, auch wenn das Leid über einen Menschen herein bricht? Hat alles was geschieht einen tieferen Grund? Steht jeder und alles in einem Zusammenhang? Nie zuvor hatte ich mich ernsthaft mit diesen Fragen beschäftigt, geschweige mich mit dem Thema auseinandergesetzt, dass meine Kinder vor mir sterben könnten. Der Kreislauf des Lebens bedeutete für mich, dass der Mensch älter wird und eines Tages, nach einem erfahrungsreichen Leben sich daraus verabschiedet.

Die Nicht-Bereitschaft zu akzeptieren, dass der Lebensplan von ihr früher zu Ende war als der meinige, nahm mir jede Zuversicht, je wieder eine Lebensfreude zu empfinden. Die Unfähigkeit der Annahme, dass eine Veränderung unwiderruflich stattgefunden hatte, nahm mir beinahe den Lebenswillen.

Das Bewusstsein, dass ein Kommen immer ein Gehen beinhaltet, wird meist verdrängt. Leider fügen wir das Sterben nicht natürlich in unser Dasein mit ein, sondern lassen es zu einem Tabu werden. Dadurch verlieren wir immer mehr das Urwissen und das Urvertrauen, mit dem wir geboren werden. Wir trennen uns somit von der wahrhaftigen Liebe. Geht der Mensch nicht wieder dorthin zurück, woher er gekommen ist?

Wir wissen alle, dass unsere Zeit hier begrenzt ist. Das Verhalten von uns ist allerdings meist so, als seien wir unendlich. Wir verdrängen das Bewusstsein unserer Endlichkeit nur allzu gerne. Wir verschieben ein geplantes Wiedersehen mit einem geliebten Menschen oder setzen ein wichtiges Gespräch auf der Prioritätsliste nach hinten. Sollte es uns dann nicht mehr möglich sein, diesen Menschen noch einmal zu begegnen, dann entsteht zum persönlichen Schmerz auch meist die eigene Schuldzuweisung. Das Wesentliche wird aus den Augen verloren.

Für jeden Menschen gibt es eine individuelle Lebensdauer. Die Geburt und das Lebensende stehen wahrscheinlich unwiderrufbar fest. Das, was wir dazwischen erleben und erfahren, ist allerdings zu verändern. Der Mensch kann sich durch Gedanken, Ansichten, Worte, Gefühle und Taten entwickeln. Vielleicht ist das die größte Herausforderung im Leben? Ist es möglich, dass der Mensch eine individuelle Aufgabe bekommt, wenn er das Geschenk Leben erhält? Und ist dann die Lebenszeit zu Ende, wenn man sie erfüllt hat?

Die Antworten konnte ich eines Tages bejahen. Dieser Glaube wurde meine fundamentale Stärke. Die Haltung über das Leben und das Sterben haben sich seitdem grundlegend verändert. Die Frage nach dem Warum stellt sich bei mir nicht mehr, da alles eine tiefgehende Bedeutung in sich trägt, auch wenn es auf ewig ein Geheimnis bleibt. Wie gehe ich damit um, ist für mich elementar geworden.

Annahme ist die schwerste Prüfung und die höchste Kunst im Mensch sein.

Wir dürfen Menschen begegnen, begleiten, unterstützen, verabschieden und lieben. Es sind die Erinnerungen, die für immer bleiben. Die Verbindung zwischen den Menschen heißt Liebe und die ist unsterblich. Durch dieses Bewusstsein können Menschen, die vorausgegangen sind, mit nur einem Gedanke ganz nah herbei gefühlt werden. Meine Tochter ist mir nur ein Schritt voraus und einen Gedanken weit weg. Wir sind bereits eng miteinander verbunden, da die Liebe für immer ist.

Ich werde meine Tochter niemals verlieren, weil sie immer in meiner Erinnerung bleibt! Diese Einstellung lässt mich aus dem tiefen Tal der Trauer herausgehen.

© Silvia Fink-Eisinger


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