Die Wirkung und Macht von Körpersprache von Tatjana Strobel

von Basler Psi Verein

23. Januar 2015

Unser Körper kann nicht lügen! Jeder unserer Gedanken ist Gehirnaktivität, die Muskelaktivität erzeugt und sich anhand unserer Mimik und unserer Bewegungen zeigt.

Unsere Befindlichkeit erstreckt sich über drei grosse Bereiche: die rational-geistige Ebene, die emotional- seelische und die körperliche Ebene. Noch bevor wir etwas sagen, kommen 90 Prozent dieser Befindlichkeit durch unsere Körpersprache zum Ausdruck. Die ehrlichsten Körperteile sind unsere Füsse. Dies liegt zum einen daran, dass diese am weitesten vom Gehirn entfernt sind, zum anderen sind unsere Füsse in der Kindheit selten in den Fokus elterlicher Erziehungsmassnahmen geraten und haben sich damit ein Eigenleben bewahren können.

Zone 1: der Kopf
Unser Kopf ist die am weitesten bewusste Ebene der Köpersprache. Unser Gesicht tragen wir meist offen und im Laufe unseres Lebens lernen wir, unsere Gefühle nicht in unserer Mimik zu zeigen und mit einem Pokerface durch die Welt zu gehen.

Umgekehrt setzen wir unsere Mimik oft bewusst ein, um bei anderen etwas zu erreichen. Schon meine zweijährige Nichte hat bei mir meist Erfolg, wenn sie ihre grossen Augen kullern lässt und ein Schnütchen zieht. Der Einsatz des Kindchenschemas (grosse Augen, gekräuselte Nase, zusammengezogene Lippen und schräggelegter Kopf) ist aber auch bei erwachsenen Frauen eine Strategie, mit der sich allerhand erreichen lässt.

Zone 2: Arme, Beine und Bauch
Unsere Extremitäten und der Rumpf bis zum Bauchnabel sind Spiegel unserer Seele. Hier werden unsere Gefühle in Körpersprache umgesetzt. Dies kann in harmonischen, weichen, aber auch in hektischen und ausladenden Bewegungen erfolgen. Frauen gestikulieren grundsätzlich mehr als Männer. Je höher Menschen in der sozialen Hierarchie steigen, umso weniger gestikulieren sie im Allgemeinen. Kürzlich war ich bei einem Vortrag von Richard von Weizsäcker, der innerhalb einer Stunde nur den rechten Arm nennenswert bewegte, während sein gesamter restlicher Körper ruhig blieb. Bei der Intensität der Gestik gibt es kulturelle Unterschiede. Italiener beispielsweise setzen häufig den ganzen Arm, sowie den Rumpf zum Gestikulieren ein, ihre Gesten sind stakkato-artig und wechseln im Tempo. Franzosen beschränken ihre Armbewegungen eher auf Unterarme und Hände. Bei Deutschen ist die Gestik stärker reduziert.

Zone 3: der untere Teil des Rumpfes
Der Bereich vom Bauchnabel bis zum Steissbein, inklusive der Geschlechts- und Ausscheidungsorgane, bildet die Zone der Körpersprache, in der die körperliche Ebene unserer Befindlichkeit zum Ausdruck kommt. Hier ist der Bereich, in dem unsere Sinnlichkeit und Sexualität sowie unser generelles Aktivitätslevel sich zeigen. Hier kommen die menschlichen Grundbedürfnisse zum Ausdruck, aber auch sein Dominanzanspruch. Eine typisch männliche Dominanzgeste ist das breitbeinige Sitzen auf einem Stuhl, wodurch das Augenmerk der anderen ganz automatisch auf die Geschlechtsteile gelenkt wird. Bei Frauen sind der gestreckte Rücken und nach aussen gereckte Po körpersprachliche Signale, die die Aufmerksamkeit anderer wecken sollen.

Neben diesen drei körpersprachlichen Zonen gilt es, noch drei weitere Phänomene im Thema Körpersprache unter die Lupe zu nehmen. Nähe und Distanz: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Sie sich bedrängt und unangenehm berührt fühlen, wenn auf der Rolltreppe jemand unmittelbar hinter Ihnen steht und Sie dessen Atem spüren können? Ähnlich empfinden wir in Aufzügen, oder wenn jemand unmittelbar frontal vor uns steht. Im westeuropäischen Raum haben wir Menschen einen sogenannten Sicherheitsabstand von einer Armlänge, ca. 80 cm. Wird dieser Abstand von einer fremden oder einer Person, die wir nicht mögen, unterschritten, treten wir den Rückzug an. Daraus lässt sich eine spannende Regel ableiten: Alles, was wir mögen, darf ganz nah an uns heran, allem, was wir nicht mögen, weichen wir aus und ziehen uns körperlich zurück. Beobachten Sie sich selbst einmal im Umgang mit Menschen, die Sie mögen und im Umgang mit Menschen, die Sie nicht mögen. Wie reagiert Ihr Körper?

Betrachten wir einmal unsere beiden Gehirnhälften: Wofür sind diese jeweils zuständig, was haben diese mit unserer Körpersprache zu tun? Die rechte Hälfte steuert Gefühle, Intuition, Kreativität. Die linke Gehirnhälfte ist der Sitz unseres Sprachzentrums und unseres logisch-analytischen Denkens. Hier verarbeiten wir Zahlen, Daten, Fakten (kurz: ZDF). Man könnte auch sagen: Die rechte Gehirnhälfte ist die emotionale, die linke die rationale. Die beiden Gehirnhemisphären steuern auch unsere beiden Körper- und Gesichtshälften und zwar überkreuz: Die rechte Hemisphäre ist für die linke Hälfte unseres Körpers und Gesichts zuständig, die linke Hemisphäre für die rechte Körper- und Gesichtshälfte. Folgerichtig spiegelt die linke Körperseite die intuitiv-emotionale Seite unseres Denkens und unserer Persönlichkeit – unsere Herzensseite. Tatsächlich befindet unser Herz sich auf der linken Seite des Brustkorbes. Unsere rechte Körperhälfte drückt dagegen die logisch-rationalen Anteile unseres Denkens aus. Achten Sie ab sofort doch einmal darauf, mit welcher Seite Sie und Ihr Gesprächspartner überwiegend agieren. Ist es eher rechts, dann sind Sie logisch und analytisch motiviert. Agieren Sie vorwiegend mit links, so ist Ihre intuitive, emotionale Seite stärker. Steht links und rechts im Ausgleich, so sind Ihre beiden Gehirnhälften bestens vernetzt. Spannend ist auch das Phänomen Schwerkraft in der Körpersprache. Wenn es uns gut geht, wir fröhlich und gut gelaunt sind, haben wir eine grosse Körperspannung im gesamten Körper. Alles ist wie von selbst gespannt und aufrecht. Alle Gesten zeigen nach oben. Haben wir aber Sorgen, fühlen uns in unserer Haut nicht wohl, so zeigt unsere gesamte Körpersprache nach unten, die Körperspannung lässt nach. Ganz wunderbar lässt sich dieses Phänomen bei der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel beobachten. Sie hat eine bewusst einstudierte Hauptgeste am Rednerpult, den aufgestellten Igel. Dieser signalisiert Stacheln ausfahren, eine Barriere zum Publikum herzustellen, sich zu schützen. Doch auch bei dieser bewusst eingesetzten Geste kann man die wahren Gefühle von Frau Merkel daran erkennen, ob diese Geste nach oben oder nach unten ausgeführt wird. Sie sehen, in der Körpersprache lässt sich so vieles sehen, beobachten und ableiten.

Übungen

Übung 1:

Wenn Sie das nächste Mal vor dem Fernseher bei einer Talkshow landen, drehen Sie doch mal den Ton ab. Jetzt haben Sie den Kopf frei, um sich auf die Körpersprache der Talkgäste zu konzentrieren: ihre Gestik, Mimik und Körperhaltung.

Gelingt es Ihnen, herauszufinden, wie die unterschiedlichen Personen zueinander stehen? Wer ist sich einig, wer nicht? Wie fühlen sich die einzelnen Teilnehmer? Geniessen sie die Veranstaltung? Oder wären sie lieber woanders? Vielleicht gelingt es Ihnen sogar, herauszufinden, worüber gerade gesprochen wird? Wenn Sie die Talkshow auf DVD oder Video aufzeichnen, können Sie das Ganze noch einmal mit Ton anschauen und überprüfen, wo Sie richtig liegen. «Talkshow ohne Ton» ist inzwischen eine meiner liebsten Freizeitbeschäftigungen. Die Übung funktioniert natürlich auch prima mit Videos, die im Internet verfügbar sind. Nehmen Sie sich doch noch einmal die «Elefantenrunde» nach der Bundestagswahl 2005 mit Gerhard Schröder und Angela Merkel vor, oder das Rededuell zwischen Verona Pooth (damals noch «Feldbusch ») und Alice Schwarzer bei Johannes B. Kerner. Sie werden sich köstlich amüsieren, versprochen!

An der Geste kann man die wahren Gefühle erkennen



Übung 2:

Videokameras sind ja heute fast in jedem Haushalt zu finden. Setzen Sie diese doch einmal bewusst ein, um sich in einer familiären oder geschäftlichen Situation zu filmen. Sorgen Sie dafür dass Sie 20-30 Minuten Analysestoff zur Verfügung haben. Am Anfang ist es sehr komisch, vor einer Kamera zu agieren, aber nach ein paar Minuten haben Sie diese vergessen und agieren frei und authentisch. Die Analyse dieser Aufnahmen kann Ihnen unglaubliche Aufschlüsse geben, denn Sie wissen ganz genau, wie Sie sich in den unterschiedlichen Situationen gefühlt haben und was diese Gefühle in Ihrem Körper auslösen und für Folgen haben. Für mich sind solche Analysen unerlässlich, wenn auch schmerzhaft. Sich selbst zu sehen ist komisch und manchmal auch hemmend.

Aber legen Sie solche Gedanken schnell weg, denn nur wer sich selbst versteht und von aussen beobachten kann, kann Dinge verändern. So ist mir beispielsweise vor einem Jahr aufgefallen, dass mein linker Arm hektisch zuckt, wenn ich aufgeregt bin. Diese Erkenntnis hilft mir nun, diesen besagten Arm in herausfordernden Situationen besser unter Beobachtung und unter Kontrolle zu haben! Setzen Sie sich also mit Ihrem Material hin und arbeiten Sie Sequenz für Sequenz durch. Achten Sie auf Arme und Beine und die Wirkung Ihrer Gesten. Es ist spannender als ein Krimi!



Übung 3:
Nun noch eine Übung, die Ihre Wahrnehmung und Aufnahmefähigkeit fördert. Holen Sie sich die Erinnerung an einen Urlaub oder ein anderes schönes Erlebnis ins Gedächtnis, das mindestens 6-12 Monate zurückliegen sollte. Überlegen Sie zunächst, an welchem Ort Sie waren und wie es dort aussah.

Welche Farben hatten die Häuser, welche Pflanzen gab es dort zu sehen? Welche Menschen haben Sie dort getroffen? Wie würden Sie sie vom Typus und der äusseren Erscheinung her beschreiben? Was haben Sie mit diesen Menschen erlebt? Wie sind Sie an den betreffenden Ort gekommen? Welche Kleidung hatten Sie an, wie trugen Sie Ihr Haar? Was haben Sie damals empfunden? Erinnern Sie sich so detailliert wie möglich und notieren Sie das, was Sie noch wissen. Überprüfen Sie dann anhand von Fotos oder Filmen Ihre Erinnerung. Bei dieser Übung schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens kehren Sie für ein paar Minuten zu einem schönen Erlebnis zurück, das Sie auf diese Weise erneut geniessen können, und zweitens trainieren Sie Ihr Gehirn und machen es so aufnahmefähiger für neue Eindrücke.


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