Séancen - wer geht denn zu sowas? von Heike Bauder

von Basler Psi Verein

24. Januar 2019

Der Begriff Séance weckt wahrscheinlich bei vielen zuerst einmal Assoziationen von okkulten Treffen mit Gläser- und Tischerücken, wie man sie aus Geschichten Anfang des letzten Jahrhunderts kennt.

Dass dort tatsächlich «echte» Phänomene beobachtet werden, wird dann der Leichtgläubigkeit und Täuschbarkeit oder der lebhaften Phantasie der Teilnehmer zugeschrieben, die Opfer einer Gruppensuggestion wurden.

Dass auch im Basler Psi-Verein physikalische Séancen angeboten werden, dürfte den aufmerksamen Lesern des Programms nicht entgangen sein. Mein eigener erster Séancebesuch war im Jahr 2015 hier im Psi-Verein. Dabei habe ich Unglaubliches und für den rationalen Verstand schwer Verdauliches erlebt. Seither war ich immer wieder bei Séancen bei verschiedenen Medien. Im Laufe der Beschäftigung mit dem Thema ist mir aufgefallen, wie unterschiedlich Menschen damit umgehen, wenn das heutige schulwissenschaftliche Erklärungsmodell nicht mehr ausreicht oder auch sehr feste Vorstellungen, wie die geistige Welt «funktioniert», nicht mehr greifen. Oft habe ich erlebt, wie jemand kurz nach der Séance begeistert war und ein paar Tage später sich immer mehr Zweifel einschlichen. Was passiert da unter psychologischen Gesichtspunkten und was beeinflusst, wie jemand eine Séance erlebt? Die wissenschaftliche Forschung hat sich bisher wenig mit dem Thema beschäftigt, denn die einzige mit dem aktuellen naturwissenschaftlichen Weltbild in Einklang stehende Erklärung ist, dass es sich um Betrug handelt. Und falls doch, dann ging es meist um die Frage, ob die beobachteten Phänomene real oder Täuschung sind. Aber wie kommt es, dass sich so viele Menschen für diese Séancen interessieren, ja sogar begeistern? Sind das alles leichtgläubige Spinner? Was bringt jemanden dazu, zu einer Séance zu gehen?

Es gibt meiner Meinung nach eine Vielzahl interessanter psychologischer Fragestellungen, die es wert sind, untersucht zu werden. Was hat Einfluss darauf, wie eine Séance von den Teilnehmern, den sogenannten Sitzern, erlebt wird? Verändert die Séanceteilnahme etwas an ihren Einstellungen oder Glaubensvorstellungen? Um diese und andere Fragen zu untersuchen, führe ich in Kooperation mit Lucius Werthmüller, Therese Hartmann und für die technische und grafische Unterstützung Eckhard Kruse seit Sommer 2017 eine psychologische Befragung von Séanceteilnehmern am Basler Psi-Verein im Sinne einer Pilotstudie durch. Einige Tage vor und nach der Teilnahme werden sie gebeten, einen mehrseitigen Onlinefragebogen auszufüllen, dessen erste Ergebnisse ich hier vorstellen will.

Bevor ich auf die Ergebnisse der Umfrage eingehe, sei noch kurz erwähnt, wie diese Séancen ablaufen und welche Phänomene auftreten können. Vor Beginn der Séance stellt in einer Einführungssitzung das Medium zunächst sich selbst und das Vorgehen vor. Dabei werden auch offene Fragen der Teilnehmer bzw. Sitzer beantwortet. Nach einer kurzen Pause findet im Hauptteil die eigentliche Séance statt. Dabei sitzt das Medium meist angebunden in einem Stuhl hinter einem schwarzen Vorhang (Kabinett) und die Sitzer im Kreis darum herum (s. Abbildung 1). Die Séance findet dabei im Dunkeln oder bei Rotlicht statt. Während dieser Zeit gibt es eine Kommunikation der Spirits mit den Sitzern und folgende Phänomene können auftreten, wobei nur die häufigsten genannt werden: Berührungen, Objekte bewegen sich durch den Raum, Materialisationen von Objekten (Apporten), vor allem Steine, Lichterscheinungen oder Austreten von Ektoplasma.



Bisher nahmen 184 Personen an der Umfrage teil, was einer Rücklaufquote von 32 % entspricht. Für die Zuordnung der vorher und nachher ausgefüllten Fragebögen diente ein selbst zu wählendes Schlüsselwort. Leider haben nicht alle vorher und nachher das gleiche Wort verwendet, so dass nicht in allen Fällen eine Zuordnung möglich war. Daher konnten in die Auswertungen, die auf Informationen aus der Vor- und Nachbefragung beruhen, nur 104 Personen eingehen. Die Untersuchung beruht auf Séancen mit vier verschiedenen Medien, wobei 51% der Teilnehmer an Séancen bei Kai Mügge, 28% bei Mychael Shane, 13% bei Bill Meadows und 8% bei Warren Caylor teilgenommen haben.

Welche Menschen gehen zu einer Séance? 

Anzumerken ist, dass die folgenden Ergebnisse zunächst nur etwas über die Teilnehmer aussagen, die auch den Fragebogen ausgefüllt haben, was eine gewisse Verzerrung zur Folge haben kann. 69% der Teilnehmer sind Frauen. Über 80% sind mindestens 45 Jahre alt. 57% haben einen Lehrabschluss/Mittlere Reife, 34% einen Hochschulabschluss. Abbildung 2 zeigt, welche Berufssparten vorwiegend vertreten sind. Befragt nach ihrem spirituellen Bezugssystem nannten 40% das Christentum, nur 20% hatten gar kein Bezugssystem.

Insgesamt gaben 63% der Teilnehmer an, eine regelmässige spirituelle Praxis zu haben. Fast alle, insgesamt 97%, hatten bereits mediale Vorerfahrungen (im Durchschnitt in vier verschiedenen Bereichen), die meisten davon mit medialer Heilarbeit. Interessant wäre, inwiefern sich diese Charakteristika von den Teilnehmern anderer Veranstaltungen des Psi- Vereins unterscheiden.

Insgesamt waren 30% der Teilnehmer das erste Mal bei einer Séance, 27% waren schon bei mehr als zehn Séancen.

Anhand des BFI-101, einer Kurzform des etablierten Big Five Inventory (BFI) Fragebogens, wurden Persönlichkeitsdimensionen erfasst, die sich in vielen Untersuchungen als Einflussfaktoren für individuelle und gesellschaftliche Phänomene erwiesen haben, wie etwa Lebensstil oder Berufserfolg. Erfasst wurden dabei Extraversion (Geselligkeit, nach aussen gerichtete Aktivität), Verträglichkeit (altruistisches, kooperatives Verhalten), Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus (emotionale Stabilität/Labilität) und Offenheit (Interesse an neuen Erfahrungen, Erlebnissen, Eindrücken) auf einer Skala von -4 bis 4.

Abb. 3: Persönlichkeitsdimensionen anhand des BFI-10

Die Ergebnisse (Abbildung 3) zeigen, dass sich Séanceteilnehmer durch Gewissenhaftigkeit (hohe Ausprägung: zielstrebig, ausdauernd, diszipliniert, zuverlässig), Offenheit (hohe Ausprägung: wissbegierig, phantasievoll, intellektuell und künstlerisch interessiert) und Verträglichkeit (hohe Ausprägung: altruistisch, Neigung zu zwischenmenschlichem Vertrauen, Kooperativität und Nachgiebigkeit) auszeichnen. Bei Personen, die das erste Mal an einer Séance teilnahmen, war die höchste Ausprägung auf dem Faktor Offenheit. Dies entspricht der Hypothese, dass sich Séanceteilnehmer durch ein hohes Mass an Offenheit auszeichnen. Nicht auszuschliessen ist, dass insbesondere sehr gewissenhafte Teilnehmer an der Umfrage teilgenommen haben und sich daher eine gewisse Verzerrung ergibt. Allerdings passen die Ergebnisse sicher nicht zum Vorurteil des esoterischen, emotional labilen und leicht beeinflussbaren «Spinners».

Ein weiterer interessanter Bereich ist die Frage nach den Glaubensvorstellungen der Teilnehmer und inwieweit sie sich durch einen Séancebesuch verändern. Die Einstellungen und Überzeugungen in den Bereichen Psi, Weiterleben nach dem Tod, Naturwissenschaft, Spiritualismus und Spiritualität wurden anhand von drei Fragen erfasst, die teilweise der Revised Paranormal Belief Scale2 entnommen wurden (Skala Psi und Spiritualität) und auf einer Skala von 0 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft voll und ganz zu) eingeschätzt wurden. Wie in Abbildung 4 zu sehen, ist der Glaube an ein Weiterleben, an die Existenz von Psi- Phänomenen, Spiritualismus und Spiritualität bereits vor der Séance sehr hoch ausgeprägt. Veränderungen in diesen Bereichen lassen sich dadurch nur schwer aufzeigen (Ceilingeffekt). Auffällig ist die Skepsis gegenüber der heutigen Naturwissenschaft.

Abb.4: Glaubensvorstellungen vorher und nachher

Was bewegt jemanden dazu, an einer Séance teilzunehmen und welche Erwartungen hat jemand?

Über alle Teilnehmer hinweg waren die Hauptgründe für die Séanceteilnahme, in Kontakt mit der geistigen Welt zu sein (77%) und das eigene Bewusstsein zu erweitern (70%). Hauptmotivation für Erstteilnehmer waren, neue Erfahrungen zu machen (81%), Neugier (77%) und sich ein eigenes Bild zu machen (68%). Bei Teilnehmern mit Vorerfahrung nannten ausserdem 66% Freude an der Séance als Motivation.

Wie wird die Séance erlebt?

Von Interesse war natürlich, wie die Séance von den Teilnehmern erlebt wird und ob das emotionale Befinden einen Einfluss darauf hat, wie die Séance hinterher beurteilt wird. Wie Abbildung 5 zeigt, ist das emotionale Erleben bei den Teilnehmern insgesamt positiv, was bis über die Séance hinaus anhält bzw. sich sogar noch verstärkt.

Wie beurteilen die Teilnehmer das Erlebte?

Anhand von 12 Aussagen (je 4 positiv, neutral oder negativ) konnten die Teilnehmer angeben, wie sie die Séance beurteilten. Beispielhaft sind einige Fragen in Abbildung 6 zu sehen.

Wie Abbildung 7 zeigt, wurde die Séance überwiegend positiv beurteilt, wobei auffällt dass die positive Beurteilung bei Erstteilnehmern sogar noch höher ist.

Was beeinflusst, wie jemand die Séance erlebt und beurteilt?

Das Erleben hängt nicht vom Geschlecht, Alter oder Schulabschluss ab. Bei welchem Medium die Séance war, spielt auch keine Rolle und interessanterweise gibt es auch keinen Einfluss des spirituellen Bezugssystems oder des Berufs.

Bezüglich der Persönlichkeitsfaktoren war die Hypothese, dass ein höheres Mass an Offenheit mit einer positiveren Beurteilung der Séance korreliert. Dies liess sich nicht bestätigen. Interessanterweise gab es nur einen positiven Zusammenhang mit dem Faktor Gewissenhaftigkeit. Insgesamt zeigte sich, je gewissenhafter jemand ist, desto positiver beurteilte die Person die Einführung, desto positiver fühlte sie sich vor der Séance und desto positiver beurteilte sie die Séance hinterher. Je emotional labiler jemand ist, desto negativer wird die Séance im Nachhinein beurteilt.

Auch der Einfluss der Glaubensvorstellungen und Einstellungen vor der Séance auf die Beurteilung der Séance ist eher gering. Nur bei Teilnehmern, die bereits vor der Séance eine höhere Ausprägung auf der Skala Spiritualismus haben, gibt es einen leicht positiven Zusammenhang mit der positiven Beurteilung der Séance.

Abb.6: Einzelne Beurteilungen der Séance

Abb. 7: Summenwerte der einzelnen positiven, negativen oder neutralen Antworten

Teilnehmern, die bereits vor der Séance eine höhere Ausprägung auf der Skala Spiritualismus haben, gibt es einen leicht positiven Zusammenhang mit der positiven Beurteilung der Séance.

Wie die Séance beurteilt wird, hängt vor allem mit dem emotionalen Erleben zusammen, wobei der Zusammenhang zwischen positivem Erleben während der Séance und positiver Beurteilung am stärksten ist. Je positiver sich jemand gefühlt hat, desto positiver beurteilt die Person auch die Séance. Dies ist auch bei den Erstteilnehmern so. Ein wichtiger Faktor ist dabei auch, ob jemand während der Séance etwas Besonderes erlebt hat, z.B. von Spirits berührt wurde oder einen Apport bekommen hat.

Ändert sich durch die Séanceteilnahme etwas? Bezüglich der Einstellungen und Glaubensvorstellungen zeigt sich ein starker Trend dahingehend, dass nach der Séance der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod bei den Teilnehmern zunimmt. Dies war unabhängig davon, ob jemand zum ersten Mal an einer Séance teilnahm oder nicht und ist insofern bemerkenswert, als der Glaube an ein Weiterleben bereits vor der Séance sehr stark ausgeprägt war. Auch zwischen der Beurteilung der Séance und den Einstellungen nach der Séance gibt es Zusammenhänge. Je neutraler und negativer jemand die Séance bewertet hat, desto geringer ausgeprägt sind die Einstellungen Psi, Weiterleben und Spiritualismus nach der Séance. Interessant ist, dass die meisten Teilnehmer wieder eine Séance besuchen wollen und sich für viele etwas durch den Besuch verändert hat (s. Abbildung 8).

Abb. 8: Fazit der Teilnehmer

Auf die Frage, was sich bei ihnen verändert hat, haben viele Teilnehmer Rückmeldungen gegeben. Hier nur ein paar Beispiele:

• Ich konnte meine Ängste / Unbehagen / Konditionierungen gegenüber dem Unbekannten / Spirits sehr gut abbauen.

• Jetzt gehöre ich noch mehr zu den Wissenden.

• Die Gewissheit um ein Leben nach dem körperlichen Tod.

• Jetzt habe ich absolut keine Zweifel mehr an der Existenz der geistigen Welt.

• hilfreiche Botschaft, Energetisierung, wunder-volles Gemeinschaftserlebnis

• Da ich immer auch etwas skeptisch bin, frage ich mich, ob diese Phänomene wirklich durch Spirits erzeugt wurden oder war es etwas anderes? Ich grüble viel darüber nach, ob dies für mich jetzt der Beweis für ein Weiterleben nach dem Tod ist. Ich bin einfach immer noch nicht 100% überzeugt.

• Ich fühle mich selbstbewusster und mehr bei mir selber angekommen. Ich fühle mich motiviert mehr mit der Geistigen Welt zu arbeiten.

• Jede Séance ist inspirierend und bewusstseinserweiternd.

• Es gab ein anderes Weltbild, zeigte auf, dass es zwischen Himmel und Erde mehr gibt als wir sehen.

• Mut, um aus dem von der Gesellschaft vorgegebenem Tun/Trott auszusteigen.

• Mein Bewusstsein, dass es für die geistige Welt keine Grenzen gibt und ich mich auch nicht limitieren darf.

• Der Tod hat seinen Schrecken verloren, es geht weiter.

• Ich habe einen neuen inneren Schritt getan und meine spirituelle Praxis ist intensiver geworden. Ich habe mehr Liebe zu anderen Menschen.

• Lang erwartete Botschaft gibt mir Kraft.

Wie geht es weiter?

Einige interessante Fragen konnten mit dem bisherigen Datenumfang leider noch nicht aussagekräftig untersucht werden, da es beispielsweise nur sehr wenige negative Beurteilungen gab. So wäre es interessant, genauer zu untersuchen, ob es Einflussfaktoren gibt, die insbesondere bei negativer Beurteilung oder beim ersten Besuch einer Séance eine Rolle spielen. Auch die Frage, ob es einen Einfluss gibt, bei welchem Medium die Séance stattgefunden hat, könnte noch genauer analysiert werden. Daher ist geplant, die Studie noch weiter laufen zu lassen. An dieser Stelle sei allen herzlich gedankt, die sich die Mühe gemacht haben, den Fragebogen – teilweise auch wiederholt – auszufüllen. Und die Bitte an alle, die zukünftig zu einer Séance gehen, an der Befragung teilzunehmen (und das gleiche Kennwort vorher und nachher zu verwenden), egal ob Sie mit der Séance zufrieden sind oder Zweifel haben.

1 Rammstedt, B., Kemper, C. J., Klein, M. C., Beierlein, C. & Kovaleva, A. (2013): Eine kurze Skala zur Messung der fünf Dimensionen der Persönlichkeit. Methoden, Daten, Analysen 7(2): 233-249.

2 Tobacyk, J. J. (2004): A Revised Paranormal Belief Scale. International Journal of Transpersonal Studies 23 (1): 94-98.


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