Ohne Trance würden wir verrückt werden

von Basler Psi Verein

22. Januar 2015

Ein Interview mit Paul Carte, rund um das Thema trance von: Alexander Lanz


Der Begriff «Trance» wird auf vielfältige Weise und in so unterschiedlichen Zusammenhängen wie mit Musik, Stammesritualen oder medialer Arbeit verwendet. Was bedeutet er in deiner Arbeit? 
Die Essenz dessen, was ich mit Trance bezeichne, ist das Loslassen der kleinen persönlichen, mentalen und sozialen Kontrolle. Dieses Loslassen ermöglicht es, uns für etwas Grösseres zu öffnen, für die umfassenderen Kräfte, für die grosse Weisheit. Wenn du einen Apfel mit deiner Hand festhältst und ihn dann loslässt, verschwindet er nicht. Indem er zu Boden fällt, gehorcht er einer grösseren Kraft, der Erdanziehung. Dasselbe gilt für unsere Innenwelt: Wenn ich zum Beispiel einen destruktiven Gedanken festhalte wie etwa «Alle hassen mich», dann geht es nicht darum ihn loszuwerden, sondern ihn nicht mehr festzuhalten. Dadurch beginnt er auf die Erinnerungen und Energien der ganzen Psyche zu reagieren, und das Ergebnis ist ein ausgeglicheneres Selbstbild. Wenn wir loslassen, sind wir durch keine Konzepte mehr fixiert und begrenzt. Deshalb können Menschen in Trance aussergewöhnliche Dinge tun, wie zum Beispiel spontan körperliche Leiden heilen, lange vergessene Erinnerungen zurückgewinnen oder Erinnerungen zum ersten Mal auftauchen lassen, um ein Vielfaches schneller lernen oder alltägliche körperliche wie auch künstlerische Aufgaben ohne Anstrengung bewältigen.

Wie gelangt man in diesen Trancezustand des Loslassens?
Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten wie Menschen und Kulturen. Die wohl älteste Form heilsamer Trance sind die Traumphasen im Schlaf. Jeder Mensch braucht Trance-Zeiten. Wir würden ziemlich schnell verrückt werden, wenn wir nicht immer wieder diese kleine persönliche Kontrolle aufgeben könnten. Experimente, bei denen Schlafende konsequent vor der Traumphase aufgeweckt wurden, mussten nach einer Woche abgebrochen werden, da die Versuchspersonen kurz vor dem Krankwerden oder Durchdrehen waren.
Alkohol und viele andere Substanzen dienen der Absicht, in Trance zu kommen. Natürlich ist es sinnvoll, Methoden auszuwählen, die nicht schädlich sind. Ich verwende Atemtechniken, Muskelentspannung, Bewegung, Tanz, Geschichten erzählen, Arbeit mit Polaritäten, Imagination, hypnotisches Träumen. Hypnose ist eine von vielen Methoden, in Trance zu gehen. Ich lehre im Training auch die Selbsthypnose.

Dein Training nennt sich «Trance und Heilung». Wie geschieht die Heilung?
Heilung passiert nur in einer Trance - wenn wir loslassen. Dabei geht es nicht um die Methode, sondern um das, was nach der Methode geschieht. Die Methode ist der Weg hinein in die Trance - die Heilung geschieht, wenn du loslässt. Wir schaffen gute Bedingungen, und dann geschieht es von selbst.

Wendet sich dein Training eher an Therapeuten oder an Menschen, die ihre eigene Selbsterfahrung und Heilung vertiefen wollen?
Beides. Ich habe in den vergangenen Jahren viele Trainings mit Psychotherapeuten und Ärzten geleitet und dabei mehr und mehr erkannt: Das beste Training besteht darin, die Trance selbst zu erfahren, in möglichst vielen Variationen. Trance reicht vom Tiefschlaf über Momente der Entspannung bis zur höchsten Ekstase. Um einen Menschen darin zu unterstützen, sein aktuelles Leben tiefer verstehen zu können, muss die begleitende Person in Trance gehen. Das Grundlegende, was ich vermittle, ist Anstrengungslosigkeit. Es ist etwas ganz Besonderes zu lernen, mit einem anderen Menschen ohne jegliche Anstrengung einfach zu sein, ohne bestimmte Begrenzungen und Vorstellungen, und mit Bewusstheit - sei dies nun in einem Therapie-Setting oder in Freundschaft. Es ist der Raum und Zustand, in dem Schamanen, Medien, aber auch zum Beispiel gute Künstler arbeiten. Er öffnet den Zugang zu allem bewussten Wissen und zu viel, viel mehr - zu aller unbewussten Weisheit und Kreativität.

Welches sind die Voraussetzungen für die Teilnahme an deinem Training?
Alles, was es braucht, ist etwas Vertrauen, etwas Misstrauen und einen Sinn für Humor. Äussere Bedingung ist die Teilnahme an einem Wochenendseminar (s. Seite 14). Dieser Kurs vermittelt einen deutlichen Einblick in das Potential der Trance und ist ein in sich abgeschlossener wertvoller Prozess.

Wie sieht eine Trance-Sitzung aus, wie man sie in deinem Training lernt?
Das hängt sehr von der betreffenden Person ab. Was immer ihr hilft körperlich zu entspannen, ist wesentlicher Bestandteil. Zu einer Sitzung gehört auch das Gespräch, manchmal verwenden wir sanfte Berührung, manchmal Rollenspiele oder das Ausdrücken von Gefühlen. Bezeichnend ist immer eine stille Phase, die wir «Traumzeit» nennen können und in der deutlich wird, dass wir auf mehreren Ebenen arbeiten. Hier geschehen die aussergewöhnlichen Erfahrungen. Es kann sein, dass der Begleiter in dieser Phase spricht oder still ist, sein Atem ist frei. Vielleicht nimmt sich der Klient viel grösser oder viel kleiner wahr als gewohnt, er mag sich leicht wie im Flug oder sehr schwer fühlen, sich selbst von aussen sehen, sich an vieles oder fast nichts erinnern. Was jedoch immer in dieser Phase enthalten ist, ist ein Erleben von Grenzenlosigkeit, Anstrengungslosigkeit und Sicherheit zugleich. In der abschliessenden Phase führt der Begleiter die andere Person wie auch sich selbst aus der Trance hinaus.

Was ist die Essenz dessen, was du vermittelst?
Liebe mehr und mehr möglich zu machen in allen Formen - Liebe zu mir selbst, zu meiner Familie, zur Erde, zur Menschheit, zum Leben. Das ist die Absicht von Heilung.

Interview: Alexander Lanz


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