Ouija von Prof. Dr. Eckhard Kruse

von Eckhard Kruse

24. Januar 2019

Medialität ist in spirituellen Kreisen in aller Munde,

da geben Channelling- oder Trance- Medien Botschaften vielfältigster Geistwesen durch, Jenseitsmedien erhalten präzise Informationen von Verstorbenen, man kann sich medial beraten lassen und natürlich gibt es auch Ausbildungen, um die eigene mediale Wahrnehmung zu trainieren. Etwas abseits all dieser spannenden Themen gibt es aber einen weiteren, unmittelbaren, persönlichen Zugang zur geistigen Welt, der heute wohl eher ein Schattendasein führt. Dabei gehörte er vor einem guten Jahrhundert in unzähligen (vor allem amerikanischen) Haushalten zur Standardausstattung und diente regelmässig, bequem vom eigenen Wohnzimmer aus, der Kommunikation mit der geistigen Welt: das Ouija-Brett.

Bei manchen Menschen ist es auch heute so. Während andere den Tatort gucken, nutzen meine Frau Heike und ich regelmässig und freudig den Sonntagabend zur Ouija-Plauderei mit der geistigen Welt. Tatsächlich lag das Brett jahrelang in irgendeiner Schublade, doch dann gab es vor zwei Jahren bei einem Seminar von Bea Rubli und Lucius den Anstoss, es mal wieder zu probieren. So eroberte sich das Brett einen festen Platz in unserem Alltag, mal bei Sitzungen mit mehreren Menschen, oft einfach zu zweit. Um Punkt acht legen wir jeweils eine Hand auf das bewegliche Holzbrettchen und nach kurzem Warten beginnt es sich zu bewegen, Botschaften zu buchstabieren, mit Ja oder Nein zu antworten und unsere Fragen und Themen zu diskutieren.

Alles nur der ideomotorische Effekt?

Jetzt gehen natürlich alle Alarmlampen der Schulwissenschaft an! Kommunikation mit der geistigen Welt? Quatsch, das ist doch nur der ideomotorische Effekt. Abbildung 1 zeigt zum Beispiel, was Wikipedia dazu sagt. Diese Erklärung klingt zwar wissenschaftlich und souverän, aber wenn man genau hinschaut, geht sie auf die oft erstaunlichen Botschaften und ihr Zustandekommen gar nicht ein. Auch ich würde nicht behaupten wollen, dass sich die Planchette ganz von alleine, aus eigener Kraft bewegt. Doch auch wenn sie dafür den menschlichen Körper, unsere Muskelkraft benötigt, ist es nicht weniger spannend. Auch die Botschaften eines Channelling- oder Jenseits-Mediums brauchen den Körper und Sprechapparat des Mediums. Oder wenn anscheinend durch José Medrado verstorbene Malergenies neue Gemälde in Minutenschnelle auf die Leinwand bringen, dann ist das gleichermassen faszinierend und schulwissenschaftlich nicht fassbar, ohne dass man dafür fordern müsste, die Farbe fliege aus eigener Kraft durch den Raum. Zwar gibt es in der Physikalischen Medialität tatsächlich auch derartige Phänomene, dass Materie buchstäblich «wie von Geisterhand» bewegt wird oder Stimmen aus dem Nichts sprechen. Aber bei den meisten medialen Phänomenen, sozusagen bei der üblichen Interaktion mit der geistigen Welt, ist der Mensch als direktes Bindeglied erforderlich.

Hier zeigen sich die typischen Scheuklappen heutiger Wissenschaft: Wieder einmal wird der Blick vor allem auf die Materie gerichtet. Wenn sich die Brettbewegungen durch Muskelbeeinflussung (halbwegs) erklären lassen, glaubt man, fertig zu sein. Wesentliche, hochspannende Fragen zu Bewusstsein und Geist werden schlichtweg ignoriert. Davon abgesehen: Dass der Geist Materie beeinflussen kann, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Wir Menschen erleben es jeden Tag, wenn sich unser Körper so bewegt, wie unser Geist es möchte (wobei auch hier manche Neurowissenschaftler widersprechen würden).

Doch welcher Geist setzt beim Ouija die Körper der Sitzer und (damit) das Brettchen in Gang? Selbst wenn es nur das Unterbewusstsein der beteiligten Sitzer wäre, ist völlig ungeklärt, wie sich diese so schnell synchronisieren können, dass eine einheitliche Botschaft entsteht. Das wird dann bei Wikipedia als «komplexer gruppendynamischer Prozess» umschrieben, denn «ungeklärter Prozess» will dort niemand eingestehen. Das ist eine beliebte Strategie im Wissenschaftsbetrieb. Man denke an den stolzen medizinischen Begriff «spontane Remission», der eine medizinisch unerklärliche Heilung bezeichnet. Der Begriff «Wunderheilung» wäre viel treffender, verursacht aber bei Wissenschaftlern pickeligen Ausschlag wegen Esoterik-Allergie.

Abb. 1 : Wikipedia - alles erklärt?

Und sollte man statt vom «Placebo-Effekt» nicht eher von «Geist-Heilung» sprechen, da ja dort das Nicht-Materielle, der Geist heilt? Also, bitte kein Geplapper vom ideomotorischen Effekt! Auch beim Ouija ist bis heute vieles aus wissenschaftlicher Sicht ein Rätsel – wenn man denn bereit ist, wirklich hinzuschauen.

Versuchsaufbau

Zum genauen Hinschauen bzw. Messen, aber auch um die Ouija-Sitzungen effizienter durchzuführen, habe ich einen Aufbau entwickelt, der mittlerweile bei jeder Sitzung zum Einsatz kommt. Da mit zunehmend schneller durchkommenden Botschaften das manuelle Mitschreiben sehr mühselig wurde, hatte ich zunächst eine Spracherkennung eingesetzt, so dass ich den Buchstaben nur noch laut aussprechen musste. Richtig komfortabel wurde es aber erst, als ich eine Software schrieb, welche die Planchette mit einer Webcam erkennt (der Einfachheit halber anhand zwei farbiger Markierungen), ihre Bewegungen aufzeichnet und dabei auch das Verweilen auf einem Buchstaben erkennt. Der Buchstabe wird von der Software laut ausgesprochen und gleich an den live entstehenden Text angehängt. Auf Basis eines Wörterbuches werden Leerzeichen automatisch eingefügt, was das Lesen der Botschaften deutlich erleichtert. Die Audioaufnahme wird hinterher zeitsynchron hinzugefügt, so dass sich auch die von uns gestellten Fragen schnell herausfinden und anhören lassen. So macht das ouijaen (vielleicht gibt es das praktische Verb irgendwann im Duden?) noch mehr Spass und am Ende ist ruckzuck ein vollständiges Protokoll erstellt. Und das ist auch für Forschungszwecke interessant.

Abb. 2: Ouija - Versuchsaufbau

Apropos Forschung: Vor kurzem wies der Newsletter des Psi-Vereins auf eine Studie zu Ouija hin, die in einem psychologischen Fachjournal veröffentlicht wurde («Predictive minds in Ouija board sessions», Anderson et. al, Phenomenology and the Cognitive Sciences, 2018). Wie schön, dass das Thema in der Mainstream-Wissenschaft aufgegriffen wurde! Doch bei genauem Hinschauen macht sich Ernüchterung breit. Die Studie war weitgehend im Geiste der Wikipedia-Argumentation angelegt. Da gab es pro Experiment nur einzelne Wörter, meist etwa fünf, maximal elf Buchstaben, die überdies wohl nur in einem recht langsamen Prozess entstanden. Zum Vergleich war als willentliche Eingabe BALTIMORE zu buchstabieren. Nur nebenbei wird erwähnt, dass das willentliche Buchstabieren überhaupt nicht gelang, wenn vorher nicht das Zielwort verabredet wurde. Doch gerade hier wird es ja spannend: Wie können dann gar längere Botschaften entstehen, erstaunlich schnell und präzise, in nicht bewusst steuerbarer Gemeinschaftsarbeit der Sitzer und möglicherweise eben auch mit einer Quelle und Hilfe ausserhalb ihrer selbst?

Ouija-Sprache 

Schauen wir also mal an, was die Spirits so zu sagen haben. Dank der automatischen Aufzeichnung ist es einfach möglich, Verfahren der Textanalyse wie etwa die Korpusanalyse einzusetzen, bei der Worthäufigkeiten und Wortzusammenhänge statistisch ausgewertet werden. Indem die Wörter unter ihren Grundformen zusammengefasst werden (z.B. finde, findet, fand zum Infinitiv finden) und zugleich die häufigen, keine inhaltliche Bedeutung tragenden Funktionswörter (und, für, zu, um, der, ein...) weggelassen werden, lässt sich eine Wortwolke erstellen. Sie veranschaulicht, worum es in den Botschaften typischerweise geht (Abb. 3). Je grösser das Wort, desto öfter wird es verwendet. Welche schöne Überraschung war es, als ich sah, dass in unseren Protokollen mit über 30‘000 Wörtern «Liebe» tatsächlich den Spitzenplatz belegt. Daneben fällt auch die häufige persönliche Ansprache von Heike und mir auf.

Abb. 3: Ouija-Wortwolke

Abb. 4: Ouijas originelle Sprache

Dabei sind die Botschaften von erstaunlicher Originalität, enthalten überraschende Metaphern, Redewendungen, Wortkombinationen oder Sprachspielereien, oft weit abseits unseres eigenen Sprachgebrauchs (Abb. 4). So wurde ich etwa aufgefordert, dem «Tiefseelentauchen » und «Lebenswellenreiten» mehr Zeit zu schenken, wobei die Begriffe dann auch näher erläutert wurden. So etwas muss man sich erst einmal ausdenken! Da wird auch mal mitten im Satz abrupt von deutsch auf englisch gewechselt, oder als Antwort malt die Planchette völlig unerwartet ein grosses Herz auf das Brett, das sich so richtig deutlich erst hinterher beim Betrachten der Auswertungen zeigte. Wenn das gemäss Wikipedia einfach aus einem gruppendynamischen Prozess resultiert, bliebe doch die spannende Frage für die Bewusstseinsforschung, wie solche völlig unerwarteten Ergebnisse ohne bewusste Abstimmung zielsicher und spontan produziert werden können?

Obendrein geschieht dies alles erstaunlich schnell. Während es in dem erwähnten wissenschaftlichen Artikel lediglich um Einzelwörter ging, bekommen wir an einem Abend tausende Buchstaben durchgegeben, wohlformulierte, komplexe Sätze, teilweise mit einer Geschwindigkeit von bis zu einem Buchstaben pro Sekunde (Abb. 5). Skeptiker mögen das bitte einfach mal nachmachen – wenn schon die willentliche Produktion von Einzelwörtern scheiterte. Interessant ist auch der Verlauf der Geschwindigkeit. Oft steigert sie sich erst allmählich, als müsste noch Energie aufgebaut werden, um dann ein recht hohes Tempo zu erreichen, das aber auch immer mal wieder von schwächeren Phasen unterbrochen wird. Grundsätzlich scheint jedoch zu gelten, je mehr mein eigenes Bewusstsein zurücktritt, je mehr die eigene Hand dem Brettchen bei längerer Sitzung nur noch müde, willenlos und erwartungslos folgt, desto besser funktioniert es. Das ist ja auch ein typischer Mechanismus bei der Medialität, wo es wichtig ist, den jenseitigen Botschaften nicht mit den eigenen Gedanken, Vorstellungen und Wünschen im Weg zu stehen und Verfälschungen dadurch zu minimieren. Dem Ouija kommt dabei zugute, dass mehrere Teilnehmer zusammenarbeiten und dadurch die individuelle, persönliche (bewusste oder unbewusste) Einflussnahme verringern.



Durch die Bilderkennung lässt sich nun auch genau analysieren, wie sich das Brettchen bewegt (Abb. 6). Da scheint es tatsächlich gewisse Unterschiede zwischen willentlicher Bewegung und dem Trance-artigen Folgen der automatischen Bewegungen zu geben. So fiel auf, dass beim gezielten, willentlichen Abfahren von Buchstaben die Planchette oft schon einen Schwung hat, der die weitere Bewegung vorwegnimmt. Bei der «echten», unbeeinflussten Bewegung wird der jeweils nächste Buchstabe immer wieder frisch und neu angepeilt, aber dennoch fast immer sehr treffsicher erreicht. Ein weiteres Indiz für die «Empfangsqualität» könnten auch die kleinen Drehbewegungen der Planchette geben, die ebenfalls mit erfasst werden und in der Abbildung durch farbige Punkte gekennzeichnet sind. Sie ergeben sich, da die Sitzer der Planchette nie völlig synchron folgen bzw. sie unterschiedlich stark bewegen. Weiteres Forschungspotenzial!

Die Geistige Welt: allwissend und höchste Wahrheiten?


Und dann ist da natürlich die zentrale Frage bei allen Formen von Medialität: Wie ist die Qualität der Botschaften? Da gibt es ja oft die (Wunsch-)Vorstellung, dass die geistige Welt alles weiss und in grenzenloser Liebe stets die höchste Wahrheit verkündet. Meine Ouija- Erfahrung ist dagegen durchaus gemischt. Prognosen können sich mal als richtig, mal als falsch herausstellen. Manche Antworten sind erstaunlich prägnant, sogar wenn die Frage nur in Gedanken gestellt wurde. Auch gibt es viel Liebe, Humor und frische Sichtweisen, aber dann eben auch mal merkwürdiges Gerede oder Provokationen, die nicht so schön ins spirituelle Konzept passen. Gewiss ist das eine Frage der jeweiligen Qualität des Kanals, aber vielleicht ist es auch gewollt. Wenn ich ein Spirit-Botschafter wäre und ich möchte die Menschen in die eigene Verantwortung führen, ihr eigenes Urteilsvermögen stärken, ihre festgefahrenen Konzepte aufmischen, an ihren eigenen freien Willen erinnern, dann würde ich es jedenfalls ähnlich machen. Das ist vermutlich hilfreicher, als dass sich die Menschen auf die Verkündung einer vermeintlich absoluten Wahrheit verlassen. Das ging schon in den Religionen schief, und das finde ich auch bei manchem Umgang mit spirituellen Botschaften in der Esoterik-Szene bedenklich. Beim Ouija können wir praktischerweise auch immer nachfragen. Eine provokante Botschaft wurde dann etwa von einem anderen Kommunikator so kommentiert: «Ziel ist sehr wahrscheinlich, euch zu verwirren, um eure Energie zu spüren.» Und im Zweifelsfall gilt wohl auch immer der schöne Ouija-Satz: «Bei unserer Kommunikation geht es nicht um Worte, sondern Energieübertragung zu euch.»

Am besten selbst ausprobieren! 

Wieder einmal möchte ich einen Artikel mit der Anregung schliessen, die für so viele Fragen in der Spiritualität und im Leben insgesamt gilt: Glaubt nicht alles (weder von der Schulwissenschaft, noch von der Esoterik), sondern macht euch selbst ein Bild, vor allem, wenn es so vergleichweise einfach ist, wie beim Ouija! Wie bei jeder Arbeit mit dem Bewusstsein gilt aber auch der Hinweis, dabei auf gute innere Ausrichtung und guten äusseren Rahmen zu achten, auf richtiges «Set und Setting». Bücher, Internet-Tipps usw. gibt es zahlreich. Und dann möge es ein inspirierendes Erforschen werden, spannender als jeder Tatort, ganz egal, ob es einfach nur «komplexe Gruppendynamik» ist oder transpersonales Bewusstsein, Medialität und wunderbares Gespräch mit der geistigen Welt.


Über Eckhard Kruse

Prof. Dr. Eckhard Kruse studierte Informatik mit Anwendungsfach Physik und promovierte auf dem Gebiet der Robotik und Bildverarbeitung. Er arbeitete acht Jahre in der industriellen Forschung als Wissenschaftler und Manager. Seit 2008 ist er Professor für Angewandte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Sein klassisch wissenschaftliches Weltbild hinterfragte und erweiterte er im Laufe der Jahre aufgrund vielfältiger persönlicher Erfahrungen und Begegnungen mit inspirierenden Menschen aus verschiedensten Bereichen der Spiritualität. Er ist Autor des Buches Der Geist in der Materie – die Begegnung von Wissenschaft und Spiritualitätwww.eckhardkruse.net

Diesen Artikel teilen

Kategorien

Direktlink