Wir erleben Liebe nicht im Kopf...

von Basler Psi Verein

20. Januar 2015

Wir erleben Liebe nicht im Kopf... ..wir erleben Liebe im Körper. Interview mit Eva-Maria Zuhorst Eva-Maria Zurhorst, Deutschlands bekannteste Beziehungsberaterin und Bestseller-Autorin, plädiert für eine neue Art von Sex.



Frau Zurhorst, welchen klassischen Fehler machen Frauen immer noch in Beziehungen?
Sie reden zu viel. Von meinem Mann habe ich mal gelernt – und zwar in einer Phase, in der es nicht so richtig gut lief mit unserer Ehe: «Weisst du, was euer Problem ist? Männer brauchen keine Worte, Männer brauchen Taten.»

Das ewige Klischee...
Mag sein. Aber das kann ich heute wirklich nur unterschreiben. Es gibt so viele Frauen, die genau wissen, warum in ihrer Beziehung etwas schiefläuft, aber es gibt so wenige, die konsequent ihrem Herzen folgen und klare Grenzen ziehen. Und das würde ich mir wirklich für die Frauen wünschen: viel klarer sich zu folgen und viel weniger zu reden.

Aber es gibt ja auch Momente, da ist Reden sehr wichtig, oder?
Das grösste Gift in einer Partnerschaft ist zu verheimlichen, was einem nicht gefällt. Was ich nicht sage, baut sich wie eine Wand auf. Und dann fange ich entweder an, mich komplett zurückzuziehen, oder ich teile meine Ohnmacht mit anderen, Aussenstehenden. Das sind dann diese fünfstündigen Telefonate mit den engsten Freundinnen.

Das soll man nicht?
Es führt zu nichts. Ich fühle mich im Zweifel meinen Freundinnen näher, aber von meinem Partner entferne ich mich so immer mehr. Der leise, unterschwellige Ausstieg nimmt seinen Lauf. Das ist der Tod einer jeden Beziehung.

Ihre eigene war selbst kurz davor.
Ich habe mich jahrelang in unserer Ehe komplett einsam und zutiefst frustriert gefühlt. Und natürlich hatte ich das Gefühl, es liegt an meinem Mann, der mich nicht mehr spürt, der auch real körperlich gar nicht da war, weil er beruflich dauernd unterwegs war. Aber es war so: Je mehr ich an ihm gezogen und gezerrt habe, desto mehr merkte ich, es tut sich hier gar nichts. Und ich wurde immer nur unglücklicher.

Was war die Rettung?
Der Tag, an dem ich den Mut gefunden habe, lieber allein, als aus Angst und Gewohnheit in einer Beziehung zu sein. Ich habe gesagt, dass wir uns trennen werden. Und zwar ohne zu drohen, zu heulen, zu schimpfen. Es war einfach eine Feststellung. Und ab da konnte ich ihn wieder sehen. Weil ich endlich ehrlich war. Ich wollte diese Beziehung schon lange nicht mehr. Diese Ehrlichkeit, mir einzugestehen, dass das zwischen uns nicht mehr weitergeht, war meine grösste Angst. Und als ich sie ausgesprochen hatte, kam das Leben zurück.



Sie sind heute 20 Jahre verheiratet!
Weil wir es geschafft haben, uns wieder nah zu kommen.

Wie?
Wir haben uns füreinander geöffnet. Das war natürlich nicht sofort Friede, Freude, Eierkuchen, sondern eher ein ziemlicher Bombeneinschlag. Aber mit der Wahrheit und der neuen Nähe kam auch die Beziehung zurück.

Sie haben mal gesagt: Die Frau, die ich damals war, gibt es nicht mehr. Sie seien geweitet und durchgeknetet. Was meinen Sie damit?
Mein Mann und ich kommen aus völlig unterschiedlichen Hintergründen, wir haben völlig unterschiedliche Leben gelebt, ich bin sechs Jahre älter. Ich habe mich öffnen müssen für seine Art, die Dinge zu sehen. Und dafür bin ich unendlich dankbar. Das ist das Durchgeknetete. Und das Tolle ist, dass wir so viele Krisen hatten, dass wir wachsen mussten. Eine Krise sagt immer: Hallo, es braucht Bewegung, es braucht eine neue Sicht, es braucht Veränderung, es braucht Wahrheit. Dadurch ist unsere Liebe lebendig.

Sie sagen, dass körperliche Nähe bei der Rettung Ihrer Beziehung eine grosse Rolle gespielt hat.
Es ist einfach so: Wenn ein Paar keine körperliche Nähe hat, fehlt etwas Elementares in der Verbindung.

Darum geht es auch in Ihrem neuen Buch mit dem Titel Soulsex. Was genau versteht man darunter?
Es geht um eine neue Form von Sex, der auch dann Spass macht, wenn die grosse Leidenschaft längst vorbei ist und der gerade Paaren in Langzeitbeziehungen die Tür in den Sex wieder aufmachen soll. Es vergeht einfach kaum ein Tag in unserer Praxis, an dem nicht ein Paar hilflos ist oder über Trennung nachdenkt, weil der Sex sich von dannen geschlichen hat. Die meisten haben das Gefühl, mit ihnen ist was falsch. Sie wissen nicht, wie man wieder im Bett zueinander findet, wenn das grosse Verlangen sich verabschiedet hat und es kaum noch echte Nähe gibt. Ich habe dieses Buch vor allem geschrieben, weil ich Frauen zeigen möchte, dass es einen ganz anderen Weg in die Sexualität gibt. Und dass sie die Männer auf diesen Weg mitnehmen können.

Wie muss ich mir diese neue Art von Sex vorstellen?
Beim Soulsex geht der Weg eher von innen nach aussen. Es geht nicht um Stellungen und Praktiken, sondern darum, dass ich wieder auf meinen Körper höre. Das Problem für uns ist doch, dass Sexualität über Jahrhunderte von Männern sozusagen weitergegeben worden ist. Der weibliche Körper hat sein eigenes Tempo, und er ist ein ziemlich feines Instrument, mit dem nicht nur mein Partner sondern vor allem ich selbst umgehen lernen muss. Bei Soulsex geht es weniger um den Orgasmus als ultimatives Ziel als vielmehr um Sinnesfreuden und Berührungen auf dem Weg dahin.

Es gibt kaum etwas Schwierigeres, als in einer angeknacksten Beziehung über Sex zu sprechen, oder?
Ja, das erfordert Mut, viel Mut. Ganz viele Frauen beschreiben bei mir in der Praxis, dass sie gar nichts mehr richtig fühlen, dass sich das Küssen wie taub anfühlt, und der Sex sowieso. Es braucht einfach Mut, das auszudrücken, und noch mehr Mut, sich so zu erkunden, dass ich dann meinem Mann vorschlagen kann, was ich gerne anders möchte. Es geht beim Soulsex zum Beispiel darum, dass Sie mit ganz kleinen Schritten anfangen: Legen Sie sich zueinander, berühren Sie sich abwechselnd behutsam, stellen Sie sich ruhig Fragen: Du, wenn ich dich hier berühre, wie fühlt sich das an? Und sorgen Sie für Zärtlichkeit im Alltag. Sagen Sie Nein zum x-ten langweiligen Begrüssungskuss. Nehmen Sie stattdessen einfach mal zur Begrüssung liebevoll seinen Kopf in die Hände und streicheln seine Wange.

Und dann reagiert der Partner abweisend oder sogar abwertend...
Ganz wichtig ist es dann, zu erkennen: Ihr Partner weist Sie nicht zurück. Ihr Partner hat Angst. Stellen Sie sich das mal andersrum vor: Sie haben jahrelang etwas immer gleich gemacht und dann kommt auf einmal der andere und sagt: Du, übrigens, ich will das so nicht mehr. Ich mag das nicht. Das verunsichert kolossal. Und jeder Mensch hat andere Strategien, wenn er mit etwas Neuem konfrontiert wird. Der eine flippt aus, der andere zieht sich total zurück und macht alle Schotten dicht. Der wichtigste Tipp, den ich Ihnen am Anfang geben kann: Nehmen Sie es nicht persönlich.

Das sagt sich so leicht, doch dafür braucht man schon ein starkes Selbstbewusstsein, oder?
Deswegen schreibe ich ja auch, dass es Zeit braucht, eine neue Nähe zu entwickeln. Und Geduld. Ich versuche einen Weg zu beschreiben, kleine Schritte zu machen. Vielleicht ist ein erster Schritt schon, nur mal zu einer gewissen Berührung «Nein» zu sagen. Dadurch entsteht schon wieder eine gewisse Dynamik. Wie viele Frauen erzählen mir: Ach Sex, da bin ich mit durch. Das stimmt nicht. Das ist Beschiss. Eine Mischung aus Bequemlichkeit und Resignation

Warum ist Sex so wichtig?
Sex ist in meiner Welt der körperliche Ausdruck von Liebe. Und in meinen Recherchen zum Buch habe ich einfach noch mal wieder bestätigt bekommen, dass wir Liebe nicht im Kopf erleben, sondern im Körper. Wir können über Liebe etwas lesen, wir können Liebe im Fernsehen angucken, aber erfahren tun wir sie ausschliesslich über Berührung. Und diese Erfahrung, die bringt Mann und Frau zusammen, und die hält uns auch zusammen. Ich schwöre Ihnen: Wenn Sie jeden Tag nur fünf Minuten liebevoll und ganz bewusst körperlich mit Ihrem Partner verbunden sind, ändert sich Ihre Beziehung.


Soulsex - Die körperliche Liebe neu entdecken ISBN: 978-3-442-34163-4


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