Forschung zur Physikalischen Medialität: Gary Mannion von Prof. Dr. Eckhard Kruse

von Eckhard Kruse

13. Januar 2020

Seit Lucius Werthmüller mich vor einigen Jahren auf das Thema der Physikalischen Medialität aufmerksam machte, lässt es mich nicht mehr los.

Ich habe zahlreiche Séancen bei verschiedenen Medien erlebt, verschiedene Messungen und Experimente durchführen können [1], [2] und erfahren, wie die Untersuchung von Séance-Phänomenen die Wissenschaft in vielerlei Hinsicht heftig herausfordert [3] – wenn man sich denn überhaupt darauf einlässt und nicht aus Bequemlichkeit, ohne genauer hinzuschauen alles als Täuschung oder Betrug abtut. Natürlich scheinen Phänomene wie Ektoplasma, Apporte, Lichtblitze, Klopfgeräusche oder die Bewegung von Gegenständen «wie von Geisterhand» (ganz buchstäblich) so gar nicht in unser vorherrschendes Weltbild zu passen. Obendrein geschieht vieles in schwachem Rotlicht oder Dunkelheit und nur sehr selten erlauben die Medien, Kameras oder andere Messgeräte in den Séanceraum zu bringen. Und selbst dann müssen sie oft genug ausgeschaltet bleiben, weil die Spirit-Stimmen (oder was auch immer da in der Dunkelheit zu hören ist) sagen, die «Energie» reiche gerade nicht aus für das gewünschte Experiment.

Ich kann nachvollziehen, wenn Wissenschaftler sagen, unter solchen Umständen fange ich gar nicht erst an. Doch es gibt ja durchaus viele Forschungsbereiche, in denen es ganz normal ist, dass man nicht die volle Kontrolle über ein Experiment hat, sondern nehmen muss, was man bekommen kann. Wer ein scheues, nachtaktives Tier erforschen möchte, wird vermutlich wenig Erkenntnisse gewinnen, wenn er mit hellen Scheinwerfern den Wald erleuchtet und sich dann beklagt, das Tier gebe es nicht, es habe sich nicht gezeigt. Vielleicht verhält es sich mit der Physikalischen Medialität ähnlich?

2017 lernte ich beim 50-jährigen Jubiläum des Psi-Vereins Inge Crosson kennen. Sie ist die Leiterin des ‚Wallacia Development Center‘, ein Zentrum und Veranstaltungsort nahe Sydney, Australien, für alles, was mit Medialität und vor allem Physikalischer Medialität zu tun hat. Inge leitet den «Home Circle» von Gary Mannion, jenem jungen Physikalischen Medium, das eine wahre Achterbahnfahrt hinter sich hat, nachdem er vom umjubelten Heiler und Medium zum mutmasslich überführten Betrüger wurde und aggressive Hetzkampagnen folgten, bei denen es überhaupt nicht mehr darum ging aufzuklären, was in Séance-Räumen passiert. Auslöser war die heimliche Aufnahme eines Infrarot-Videos in einer Séance, in der man sieht, dass Gary aus dem Kabinett kommt und die Phänomene selbst erzeugt. Darum ranken sich Geschichten und offene Fragen (etwa, wieso die Tonspur entfernt wurde, die möglicherweise ein umfassenderes Bild liefern würde) und es gibt auch interessante Erklärungen von Garys Spirit-Team zu den Geschehnissen. Nun, flapsig gesagt, die Physikalische Medialität scheint auf allen Ebenen grosse Energien und Kontroversen in Gang zu setzen und vielleicht ist genau das auch irgendwo gewollt. Vielleicht ist Gary ein Betrüger, vielleicht beeinflusst aber auch das Bewusstsein die Ergebnisse, wie es aus dem Doppelspaltexperiment der Quantenphysik bekannt ist: Wer Teilchen sucht (also das Experiment entsprechend gestaltet), findet Teilchen, wer Wellen sucht, findet Wellen. Ist jemand, der vom Betrug in einer Séance überzeugt ist, die Bedingungen manipuliert und das Medium selbst betrügt, überhaupt in der Lage, etwas anderes als Betrug zu finden?

Ambiguitätstoleranz

Es gibt den schönen Begriff der «Ambiguitätstoleranz », also der Fähigkeit, mit mehrdeutigen Informationen und Widersprüchen angemessen umzugehen. Wikipedia: «Wenn Situationen oder Menschen unberechenbar und unkontrollierbar erscheinen, empfinden Menschen mit kaum vorhandener Ambiguitätstoleranz Stress und Unbehagen und tendieren dazu, mit einfachen und unreflektierten Ideen oder Regelsystemen und einer linearen Denkweise wieder Ordnung und Struktur in ihrem Umfeld herzustellen.» Wissenschaft braucht ein hohes Mass an Ambiguitätstoleranz, bei der Physikalischen Medialität ganz besonders. Ich möchte insofern niemanden zu Schlussfolgerungen drängen, sondern einfach das erzählen, was ich in zahlreichen Séancen von Gary selbst beobachtet und unter kontrollierten Bedingungen gemessen habe. Solange ich auch nur ein Phänomen habe, das sich Erklärungen von Trick und Betrug entzieht, bleibe ich neugierig. Doch es sind sogar viele. Ich habe einen detaillierten wissenschaftlichen Bericht mit vielen Details dazu erarbeitet. Unter [4] kann er heruntergeladen werden und dort findet sich ausserdem ein Beispielvideo.

Das Sensor-Köfferchen wird gepackt

Nach einer ersten interessanten privaten Séance von Gary in Basel lud Inge mich und meine Frau Heike, die bei den Forschungen stets dabei ist und fleissig mitwirkt, für Januar 2018 nach Wallacia ein: zehn Tage ausgiebige Experimente mit Gary. Im Vorfeld war nicht klar, was an Tests möglich sein würde. Insofern packte ich einfach alles ein, was in früheren Experimenten hilfreich war, und bastelte an Sensoren, mit denen sich möglicherweise ganz neue Versuche ergeben könnten. So kam eine Liste zusammen, die sich im Nachhinein noch etwas verlängerte und heute meinen persönlichen «Séance-Forschungswerkzeugkasten » darstellt:

  • Audiorekorder, um die Séance vollständig mitzuschneiden, und somit auch eine Referenz für den zeitlichen Ablauf zu haben
  • Vier Mikrofone und Auswertesoftware zur Audiolokalisierung (s. [2])
  • Videokamera, die zusätzlich über eine Infrarot-Funktion verfügt
  • Wärmebildkamera, die dank einer selbstgebastelten Kleincomputerbox bei völliger Dunkelheit genutzt werden kann
  • Eine ganze Palette von Mini-Sensoren, die verschiedene Messwerte aufnehmen und batteriebetrieben die Daten lokal auf SDKarten speichern (Abb. 1); Ergebnis einer längeren Bastel- und Programmierarbeit. Sie lassen sich am Medium, im oder auf dem Kabinett oder irgendwo im Raum platzieren und liefern verschiedene Daten, die von Interesse sein könnten: Bewegungen des Mediums, Umgebungsparameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Beleuchtungsstärke und auch Körperfunktionen wie die Herzfrequenz oder das Körpergewicht (indem der Stuhl des Mediums auf eine Platte mit Kraftsensoren gestellt wird).
  • Einiges davon wurde bei den Untersuchungen intensiv und mit sehr guten Ergebnissen verwendet, anderes nur selten für ein erstes Ausprobieren und manches kam gar nicht zum Einsatz. Die Wahl ergab sich aus den zu untersuchenden Phänomenen und gewissen Vorsichtsüberlegungen. So waren Messungen der Körperfunktionen nicht möglich, da sie direkten Hautkontakt der Sensoren erfordert hätten. Das alles wurde diskutiert und entschieden in einer speziellen Form der Teamarbeit.

Abb. 1 : Einige der Sensoren

Zusammenarbeit mit Geistern?

Physikalische Séancen sind Teamarbeit. Natürlich richtet sich der Blick zunächst auf das Medium, doch auch die Sitzer spielen mit ihrem «Energie-Beitrag» eine wichtige Rolle. Und dann ist da eben auch das «Spirit-Team» mit einem oder mehreren Kommunikatoren, die während der Séance zu hören sind und meist durch das in Trance befindliche Medium sprechen. Garys Hauptkommunikator heisst «Jimmy». Egal, ob man ihm eine eigene, reale Existenz zugesteht, ihn als Garys dissoziiertes «Alter Ego» oder schlichtweg als betrügerisch vorgetäuschte Stimme sieht – er ist es, mit dem in der Séance gesprochen wird und der somit ein massgeblicher Verhandlungsund Kooperationspartner ist. Mit ihm wurden die Experimente besprochen, während Gary oft nur mit einem knappen «was the seance good?» von der Seitenlinie aus zuschaute. Jimmy und sein laut eigener Aussage im Hintergrund arbeitendes Spirit-Team zeigten grosse Bereitschaft, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Ihre Behutsamkeit und ihr Anspruch auf Hoheit über das Tempo forderten mir aber auch einige Geduld ab, wenn Messgeräte erst nach und nach, eins nach dem anderen hinzugenommen werden konnten. Zum Glück war mehr als eine Woche zum Testen eingeplant, oft mit zwei, manchmal drei (ca. halbstündigen) Sitzungen pro Tag. Und da es gut lief, spannend war und Gary, Inge und der Home Circle begeistert waren weiterzumachen, gab es nach der Testreihe in Wallacia bis heute vier weitere Treffen in England.

So liegen nun vielfältige, umfangreiche Daten aus weit über 50 Test-Séancen vor. Leider mit einem kleinen Problem: Obwohl die Ergebnisse teilweise sehr beeindruckend sind, gab es von Jimmy enge Vorgaben, was deren Nutzung und Verbreitung anging, obwohl es ja in Garys Interesse liegt, gute Ergebnisse schnell öffentlich zu machen. Erst im März und Mai 2019 gab es schrittweise die Freigabe, zumindest die Ergebnisse der Bewegungssensor- Experimente zu veröffentlichen.

Abbildung 2: Kontrolle des Mediums

Bewegungssensoren zur Kontrolle des Mediums 

Da sich die Medien bei Physikalischen Séancen durch die Dunkelheit oder den Vorhang des Kabinetts häufig den Blicken entziehen, lautet ein zentraler Verdacht, dass sie die Phänomene durch Tricks unbemerkt selbst produzieren. Die Kontrolle des Mediums ist daher eine etablierte Standardprozedur, wobei es von benachbarten Sitzern an Händen und Knien gehalten wird (bei Kai Mügge) oder an den Stuhl, z.B. mit Kabelbindern, gefesselt wird (bei Bill Meadows, Mychael Shane, Warren Caylor). Beide Techniken haben Vor- und Nachteile. So könnte die Fesselung zu locker sein oder man bei der manuellen Kontrolle möglicherweise einer Täuschung erliegen.

Ich wollte einen anderen Weg gehen und moderne Technik nutzen. Bewegungssensoren, wie sie heute zum Beispiel in Handys zum Einsatz kommen, um u.a. vom Hoch- auf Querformat umzuschalten, können pro Sekunde hunderte hochauflösende Messungen durchführen. Befestigt man einen solchen Sensor am Handgelenk des Mediums und speichert die Daten über den gesamten Séanceverlauf, so erhält man ein genaues Protokoll über kleinste Bewegungen des Mediums bzw. erkennt, ob der Sensor möglicherweise entfernt und später wieder angelegt wurde.

Entsprechend erfreut war ich, mit diesen Sensoren Gary in vielen Séancen, zusätzlich zur üblichen Fesselung (die anfangs mit Schals, später mit Kabelbindern erfolgte), überwachen zu können (Abb. 2). Erst nur an einem Handgelenk, später auch an beiden. Und wie immer steckte der Teufel im Detail. So zeigten sich (leider erst bei späteren genaueren Auswertungen) direkt nach dem Schliessen des Kabinetts oft leichte, potenziell «verdächtige » Bewegungen. Zwar hätte ein Entfernen des Sensors stärkere Ausschläge verursacht, und wäre der Sensor auf den Boden abgelegt worden, hätte man das an völliger Bewegungslosigkeit erkannt. Mitunter liess sich auch «rückwärts» argumentieren, so dass die anfänglichen Ausschläge egal waren: Wenn von den Phänomenen bis zum Öffnen des Kabinetts am Ende der Séance keine Bewegung registriert wird und der Sensor unverändert am Handgelenk ist, wird die Hand wohl nicht zu den Phänomenen beigetragen haben. Erst später stellte sich heraus, dass sich Gary oft erst nach Schliessen des Kabinetts völlig entspannt und dabei im Stuhl etwas zurückrutscht. Genau das zeigte der Sensor.

Ich bat Gary, es sich bereits vor dem Schliessen des Kabinetts richtig bequem zu machen und schon verschwanden die unerwünschten Ausschläge. Darüber hinaus scheinen die Hände von Physikalischen Medien oft leichte Bewegungen anzudeuten, welche die Phänomene, etwa den Flug von Trompeten, widerspiegeln, ohne diese jedoch in ihrem Umfang verursachen zu können. Jimmy versprach, derartige Bewegungen gezielt zu unterdrücken und der Sensor wurde weiter ruhiger.



Ergebnisse 

Hier sollen für zwei Séancen [4] einige Daten exemplarisch gezeigt werden. Abbildung 3 zeigt eine Séance vom 2.2.2018. Von links nach rechts ist der zeitliche Verlauf in Minuten dargestellt. Die Balken zeigen verschiedene Bedingungen und Ereignisse wie die Beleuchtung, wann das Kabinett geschlossen war, Jimmy sprach und Phänomene wie Bewegungen des Kabinetts auftraten. Der Zeitraum der Videoaufnahme ist grün dargestellt, die Zeitpunkte der abgebildeten Standbilder sind markiert (ausnahmsweise war weisses Licht erlaubt anstelle des üblichen Rotlichts).

Einer der Bewegungssensoren war am linken Handgelenk angebracht, ein weiterer oben am Kabinett, um auch im Dunkeln Bewegungen des Kabinetts zu erfassen. Sie liefern umfangreiche Rohdaten (Beschleunigung, Drehgeschwindigkeit und Magnetfeld jeweils für die x-, y-, und z-Koordinate), welche hier für den Handsensor aufbereitet sind. Die obere Kurve zeigt den Gesamtbetrag der Beschleunigung (blaue Linie, 1g bei Ruhe des Sensors) und der Drehgeschwindigkeit (braune Fläche, 0 Grad/ Sekunde bei Ruhe). Der untere Graph zeigt die räumliche Orientierung mit drei Drehwinkeln. Über den Verlauf der Séance verändert sich die Lage nur geringfügig. Allerdings gibt es während der intensiven Kabinettbewegungen Erschütterungen mit kurzzeitigen Ausschlägen, wenn etwa das rotierende Kabinett gegen den Sensor stösst. Obendrein sind während der Kabinettbewegungen zeitweise die Beine und dann auch beide Hände zu sehen, wie sie unverändert auf den Armlehnen ruhen. Der Anblick des sich kraftvoll bewegenden Kabinetts, während der Körper völlig ruhig scheint, war beeindruckend!

Abbildung 4 zeigt Daten einer späteren Séance, bei der die Kontrolle mit Bewegungssensoren nun an beiden Handgelenken erfolgte. Im Rotlicht wurde eine Videoaufnahme erlaubt, während sich das Kabinett in vielfältiger Weise bewegte und schliesslich beinahe Garys gesamten Körper enthüllte (s. Video auf meiner Webseite [4]). Arme, Beine, Kabelbinder und Sensoren zeigten sich dabei unverändert am ursprünglichen Platz. Nach dem Anlegen blieben die Bewegungssensoren ruhig bzw. zeigten nur leichte Vibrationen, während Jimmy sprach. Während der Kabinettbewegungen erschienen wie im vorigen Beispiel stärkere Ausschläge, zugleich gab es eine schrittweise Drehung (um die z-Achse), wobei beide Sensoren ungefähr synchrone Ausschläge zeigten, was damit korrespondiert, dass sich Garys Stuhl während der Phänomene um ca. 90 Grad drehte.



Dies sind nur zwei Beispiele von zahlreichen, spannenden Experimenten während der über fünfzig Séancen. Da gab es ein erstaunliches, gleichmässiges Wirbeln des Zeltkabinetts im Rotlicht mit drei vollen Umdrehungen in sechs Sekunden, während der Sensor an Garys Arm ruhig blieb; ein 70 kg schweres Kabinett, das aus Holzeingangstüren gebaut war, glitt völlig gleichmässig über den Boden. Beide Phänomene konnte ich auch ungefesselt, mich frei im Kabinett bewegend und mit Hilfe beider Hände nicht nachahmen. In einer Séance zeigte der Bewegungssensor sehr schnelle Vibrationen (15 Schwingungen pro Sekunde) von Garys Arm, eine Frequenz die deutlich oberhalb des Bereichs üblicher Formen menschlichen Zitterns liegt und schwer vorstellbar willentlich produziert werden kann. Daneben wurden auch ganz andere Themenfelder adressiert, die jedoch noch nicht veröffentlicht werden dürfen, so etwa Audioaufnahmen aus dem Inneren des Kabinetts, Wärmebildaufnahmen, Erscheinungen von Ektoplasma und «Matter through Matter»-Experimente. Über den gesamten Verlauf der Experimente zeigte sich, dass die Phänomene die Tendenz hatten, signifikanter und stärker zu werden oder dass gleichartige Phänomene mit umfangreicheren Messungen beobachtet werden konnten. Ausserdem wurde die Kontrolle des Mediums verschärft, so wurden in den jüngsten Experimenten im September 2019 Garys Arme und Beine sogar an jeweils zwei Stellen (Handgelenk und nahe Ellenbogen bzw. Knöchel und Wade) mit jeweils eng anliegenden Kabelbindern fixiert.

Interessant?

Die vielen Messungen und Details, die sich in meinem Artikel [4] nachlesen lassen, scheinen mir eigentlich ganz interessant. Auch wenn man überzeugt ist, Gary sei ein Betrüger, könnte man ja anhand dieser Daten seine eigenen Hypothesen überprüfen und darüber nachdenken, welche Tricks er verwendet, um derartige Phänomene zu produzieren. (Wobei ich noch erwähnen sollte, dass der Raum, der Stuhl und das Kabinett natürlich kontrolliert wurden, um sicherzustellen, dass es dort keinerlei Hilfsmittel für Tricks gab.) Doch all das schien den Gutachtern eines Fachjournals, bei dem ich den Aritkel einreichte, wohl zu anstrengend. Sie lehnten ihn mit schroffen Worten ab und argumentierten mit Dogmen, ohne auch nur auf eine einzige Messung einzugehen. So schrieb einer, die Geschichte der Parapsychologie habe gezeigt, technische Überwachungssysteme seien für Séancen nicht geeignet, und begründete das damit, dass sich der Forscher William Crookes Ende des 19. Jahrhunderts(!) auf eine elektrische Armkontrolle verliess und dann getäuscht wurde. Ausserdem seien meine Sensoren unbrauchbares, ungenaues Spielzeug – wobei die (hervorragenden) technischen Daten gar nicht betrachtet wurden, sondern es schlichtweg hiess, die Sensoren seien «zu billig» und würden ja auch in Handys verwendet. Der andere Gutachter (es gab einen Gutachter A und C, was B meinte, wurde mir leider nicht mitgeteilt) schrieb: Experimente, bei denen die Beine mit Schals gefesselt sind, seien grundsätzlich wertlos und gehören nicht veröffentlicht – aber wenn ich die Beine auf dem Video doch sogar sehen kann?! Ausserdem könne es laut einer parapsychologischen Theorie gar keine derartigen Séancephänomene geben – tja, die Theorie schliesst die Beobachtung aus, sollte es nicht umgekehrt sein? Und schliesslich der Kommentar: Kruse mache den zweiten Schritt vor dem ersten, denn gemäss der Meinung des Gutachters sei der erste Schritt, den Medien maximale Kontrollforderungen aufzuerlegen, die in meinen Augen allerdings ähnlich hilfreich sind wie die anfangs erwähnte Waldbeleuchtung. Und da derartige Wünsche von allen Medien abgelehnt werden, lehnen sich solche «Wissenschaftler» schmollend und selbstgefällig zurück, sagen, alle heutigen Medien seien Betrüger, und philosophieren weiter über 100 Jahre alte Berichte. Erkenntnisgewinn: null.

Aber, ehrlich gesagt, das ist nicht schlimm, sondern eher lustig. Die Entwicklung und Erkundung der Physikalischen Medialität geschieht gewiss nicht in papiernen Diskussionen und Gedankenkonstrukten, sondern dadurch, dass interessierte, offene, «ambiguitätstolerante » Menschen zu Séancen gehen, sich faszinieren lassen, es aushalten, wenn Fragen erst einmal unbeantwortet bleiben und Vermutungen sich erst allmählich zu vorsichtigen Einsichten verdichten. Wenn es für mich eine Gewissheit gibt, dann vielleicht diese: Wir haben letztlich überhaupt keine Ahnung, was es mit dem Erleben unserer scheinbar so vertrauten «Realität» auf sich hat.

Wer gesehen hat, wie bei Kai Mügge eine Vollmaterialisation aus dem Kabinett erscheint, oder wer vielleicht gar seinen eigenen Zirkel gründet und erste Phänomene erlebt, schmunzelt bestenfalls milde, wenn irgendein Wissenschaftler behauptet, er habe bewiesen, das gibt es nicht. Mit jeder Séance und jedem sich entwickelnden Medium wird die Überzeugungskraft von ganz alleine immer grösser, dass in Séancen Wertvolles, Wichtiges, Kraftvolles geschieht. Wenn ich mit meinen Untersuchungen ein bisschen neugierig machen kann und vielleicht zu derartigen Entwicklungen beitrage, dann freut es mich.

[1] E. Kruse (2016): Hören statt sehen – Die Erforschung physikalischer Medialität durch Audiosignalverarbeitung, Psi-Info Nr. 36, 8/2016. [2] E. Kruse (2018). Audio signal processing to investigate alleged paranormal phenomena in mediumistic seances, IEEE Aerospace and Electronic Systems Magazine, 3(2). 52-56. [3] E. Kruse (2015): Sieben Gründe Physikalische Medialität zu erforschen – selbst wenn man sie für Quatsch hält, Psi-Info Nr. 34, 8/2015. [4] E. Kruse (2019): Physical Mediumship: Experiments with Gary Mannion, Techniques and Results, 10/2019, www.eckhardkruse. net/physmed/garytest.html

https://www.bpv.ch/referenten/garymannion


Über Eckhard Kruse

Prof. Dr. Eckhard Kruse studierte Informatik mit Anwendungsfach Physik und promovierte auf dem Gebiet der Robotik und Bildverarbeitung. Er arbeitete acht Jahre in der industriellen Forschung als Wissenschaftler und Manager. Seit 2008 ist er Professor für Angewandte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Sein klassisch wissenschaftliches Weltbild hinterfragte und erweiterte er im Laufe der Jahre aufgrund vielfältiger persönlicher Erfahrungen und Begegnungen mit inspirierenden Menschen aus verschiedensten Bereichen der Spiritualität. Er ist Autor des Buches Der Geist in der Materie – die Begegnung von Wissenschaft und Spiritualitätwww.eckhardkruse.net

Diesen Artikel teilen

Kategorien

Direktlink