Das freundliche Nein

von Christina & Walter Hommelsheim

15. Januar 2018

Viele Menschen wissen nicht, wie sie ehrlich und authentisch „Nein“ sagen können.

Schon in der Schule lernen die meisten, sich anzupassen und lieber auf die eigenen Bedürfnisse zu verzichten, als andere eventuell vor den Kopf zu stoßen und dadurch abgelehnt zu werden. Sie werden dazu angehalten, die innere Stimme zu überhören und brav das zu tun, was von uns verlangt wird, statt auf ihre wertvollen inneren Impulse zu hören und zu vertrauen.

In unseren Seminaren erleben wir beide es immer wieder, wie groß die Angst ist, in engen Beziehungen "Nein" zu sagen. Die Befürchtung ist verbreitet, dann nicht mehr geliebt zu werden, oder den geliebten Menschen mit einem Nein vor den Kopf zu stoßen oder zu verletzen. Doch darüber bleibt dann leicht die Ehrlichkeit auf der Strecke. Es ist für eine klare Kommunikation entscheidend wichtig, das eigene innere Nein ernst zu nehmen, gut auf sich und die eigenen Bedürfnisse zu achten und sie klar, deutlich und liebevoll zu vermitteln. Byron Kathie sagt es in ihren Worten so wunderbar: „Schön, dass du fragst, und – nein.“

In der Kindheit vieler Menschen gab es nur höchst selten die Möglichkeit, mit einem Nein gehört zu werden. Das Wort der Eltern war das Gesetz, dem sich das Kind unterordnen musste. Die Angst, verlassen zu werden, bestimmt dann manchmal unbewusst bis ins Erwachsenenalter hinein das Handeln. Lieber in einer schlechten Beziehung bleiben, als alleine durch diese Welt gehen zu müssen, lautet oft die Devise. Vielen graut vor der Vorstellung, nach Hause zu kommen und niemand ist da, besonders jenen, die um der Beziehung willen den eigenen Freundeskreis von früher aufgegeben haben und auch sonst den Fokus hauptsächlich auf den eigenen Partner richten. Daraus entsteht dann leicht eine gefühlte Abhängigkeit von der Gunst des Anderen, was nicht sonderlich attraktiv und anziehend wirkt.

Die meisten Menschen möchten letzten Endes lieber einen Menschen an ihrer Seite haben, der zu sich steht, sich selbst ernst nimmt, bei dem ein Ja auch ernst gemeint und verlässlich ist. Stell dir nur einmal vor, du bittest deine Partnerin um etwas und sie sagt Ja, obwohl sie eigentlich ein klares Nein in sich hat. Es würde sich vermutlich nicht besonders gut anfühlen, weil intuitiv wahrnehmbar ist, dass ihr Ja nicht von Herzen kommt.

Ein Mensch, der klar und deutlich seine Meinung vertritt, wird respektiert, weil er Format und Stärke zeigt. Vielleicht ist dein Partner zunächst nicht ganz so begeistert von dieser neuen Fähigkeit, da es alte Gewohnheiten durcheinanderbringen kann. Der neue und ehrlichere Umgang miteinander führt jedoch zu einem Kontakt auf Augenhöhe und zu mehr Respekt voreinander.

Solltest du jedoch eher zu den Menschen gehören, die leicht Nein sagen können und sehr gut auf ihre eigenen Bedürfnisse achten, könnte es dir und deiner Partnerschaft möglicherweise gut tun, dein gewohntes Nein bewusst zu überprüfen und öfter mal ein Ja zuzulassen. Hierzu empfehlen wir dir Kapitel 13 über den Widerstand in der Liebe. Du kannst auch mal schauen, ob du vielleicht eine Partnerin angezogen hast, die sich leicht verunsichern lässt und eher Ja sagt, auch wenn er Nein meint. In diesem Fall könntest du auf deine Partnerin zugehen und sie ermutigen, öfter mal ehrlich ihre Meinung auszudrücken.

Solo-Übung:Zu dir stehen und liebevoll Nein sagen lernen

  • Schreib dir als erstes auf, wo du in deiner Beziehung JA sagst, obwohl du eigentlich NEIN meinst. Schreib ruhig frei heraus in dem Wissen, dass zu einer Beziehung auch Kompromisse gehören, wenn sie sich für dich gut anfühlen und du dich selbst dabei nicht verlässt. Werde dir darüber bewusst, wo du dich verbiegst und Dinge tust, die du eigentlich nicht willst. Genau diese Situationen können irgendwann das Fass zum Überlaufen bringen.
  • Wenn du die Liste fertig hast, spüre nach, warum du in diesen Situationen Ja sagst. Sei ehrlich: Wovor hast du Angst? Was könnte passieren? Du kannst diese Angst kennenlernen und dich mit ihr auseinandersetzen, indem du sie in deinem Körper fühlst, ihr Raum gibst und sie nicht weiter verdrängst.
  • Wähle von deiner Liste die einfachste Situation, wo du üben kannst, in Liebe Nein zu sagen. Probiere es mutig aus. Wenn dein Partner dich sofort verlässt, nur weil du einmal Nein gesagt hast, war er sowieso nicht der Richtige. ;o)

Christinas Sichtweise:

Ich weiß noch wie heute, wie es war, als ich zum ersten Mal den Mut fasste, ehrlich Nein zu sagen. Ich war innerlich fest davon überzeugt, dass nun die gesamte Beziehung ins Wanken geraten könnte. Es fühlte sich so dermaßen bedrohlich an, zu mir zu stehen. Ich hielt es kaum aus und begann, mich für mein Nein zu rechtfertigen. Überraschenderweise fand es mein Gegenüber gar nicht so schlimm und konnte sogar darüber lachen.

Bei Walter finde ich es regelmäßig toll, wenn er Nein sagt. Es gibt mir das Gefühl, mich darauf verlassen zu können, dass er das, wozu er dann Ja sagt, auch gerne macht. Natürlich kommen wir einander entgegen und gehen Kompromisse ein. Ich gehe gerne auf etwas ein, was ihm wichtig ist, wenn es mich selbst nicht allzu viel kostet. Das sage ich ihm dann auch. Diese offene Art erlaubt es uns, uns über das Entgegenkommen des Anderen einfach zu freuen. Wir wissen, dass er es gerade für uns tut und gleichzeitig gut auf sich selbst achtet.

In Seminaren kommen immer wieder Frauen zu mir, die sich jahrelang für ihren Mann verbogen haben und darüber regelrecht krank wurden. Die Beziehung wurde darüber oft zur reinen Zweckgemeinschaft. Der Weg zurück zur Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse ist dann oft schwer. Liebevoll Nein sagen lernen ist ein wichtiger Teil dieses Wegs, der meiner Erfahrung nach zu sehr viel mehr Freiheit und Wachstum führt.

Walters Sichtweise:

Christina ist eine starke Frau, die die Tendenz hat, die Menschen um sich herum zu dirigieren. Am Anfang habe ich wütend gegen ihre "Königinnen"-Art rebelliert und wir haben uns oft gestritten. Heute kann ich sie in solchen Situationen liebevoll in den Arm nehmen und ihr klar sagen, zu was ich bereit bin und zu was nicht. Sie freut sich ihrer eigenen Aussage nach darüber und erklärt mir immer wieder, wie anziehend es auf sie wirkt, wenn ich weiß, was ich will, und das liebevoll zum Ausdruck bringe.

Der Mann, der alles Recht machen will und von der Frau Listen bekommt, die er abzuarbeiten hat, ist nicht mehr auf Augenhöhe. Gerade heute erhielt ich eine E-Mail von einer Frau, die ihren Mann zum Coaching anmelden wollte. Auf ihre erste Mail antwortete ich ihr, dass ihr Mann sich bitte selbst bei mir melden und mir schon einmal das Thema der Sitzung in einer Mail beschreiben solle. Daraufhin schrieb sie zurück, er brächte so viel beruflichen Stress mit in die Beziehung, es sei einfach Zeit, dass er zu einem Coach geht. Zu ihrer Enttäuschung coache ich allerdings keinen Mann, dessen Frau ihn anmeldet, zumal schon in den Mails deutlich wurde, dass ihre Bestimmtheit eines der Themen sein könnte, die ihn belasten.

Schön wäre, wenn er ihr liebevoll mitteilen könnte, dass er dankbar ist, dass sie sich um ihn sorgt und dass er sich selbst zum Coaching anmelden wird, wenn er es für nötig hält. Doch genau das trauen sich viele Männer nicht. In manchen Partnerschaften verhalten sich die Partner eher wie Mutter und Sohn. Viele Frauen sprechen von ihren Männern wie von einem weiteren Kind, um das sie sich kümmern müssen. Sie biegen sich ihre Männer solange zurecht, bis diese zum totalen Langweiler werden – und dann wundern sie sich, wo die Anziehungskraft geblieben ist.

Traut euch, liebe Männer, hört auf, schweigend zu resignieren und in der Kneipe zu verschwinden. Zieht die Stacheln ein, kramt das eigene Rückgrat heraus und lernt, ohne zu kämpfen freundlich Nein zu sagen. Ihr werdet merken: Solch eine mutige Aufrichtung in die eigene Größe wirkt auf viele Frauen sehr attraktiv.


Über Christina & Walter Hommelsheim

Christina Grahn-Hommelsheim
Dipl.-Betriebswirtin, Autorin, Heilpraktikerin, Transformationstherapeutin & Coach nach Robert Betz, NLP-Trainerin, Gestalttherapeutin, systemischer Coach und langjährige Seminarleiterin für Robert Betz, die Gedankenwelt u.m.

Mit ihrer authentischen und herzlichen Art begeistert sie Menschen für alle Themen rund um Persönlichkeitsentwicklung. Seit nunmehr 6 Jahren leitet sie mit ihrem Lebens- und Arbeitspartner Walter Hommelsheim ihr gemeinsames Herzensprojekt „Herz über Kopf“, Partnerschafts- und Singleseminare, um Menschen in glückliche und erfüllte Partnerschaften zu führen. 
Walter Hommelsheim
In den vielen Jahren als Ausbildungs-, Seminarleiter und Experte für namhafte Seminaranbieter wie Robert Betz und die Gedankenwelt, für den Bereich Partnerschaft und Persönlichkeitsentwicklung, hat er Instrumente und Werkzeuge, die in Partnerschaft und Beziehung wirklich funktionieren, zusammengetragen und in ein Seminarkonzept, viele Onlinekurse und Bücher gefügt.
Nach einer tiefen Beziehungskrise mit seiner damaligen Frau, widmete er sich ganz der Persönlichkeitsentwicklung und Seminarkonzeption. Dabei lernte er Christina kennen und lieben.
Seit über 6 Jahren sind sie privat und beruflich ein Paar. Beide kennen Höhen und Tiefen einer Partnerschaft und haben viele der Fehler in Paarbeziehungen selbst erlebt und gemacht. Sie freuen sich, ihre Werkzeuge für eine erfüllende Partnerschaft und Beziehung mit sich selbst, weiterzugeben.

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